Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Testlabor macht Station in Heidenheim

Wofür U21-Nationaltr­ainer Stefan Kuntz das Spiel gegen Irland nutzen will

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HEIDENHEIM (dpa) - Bei der Prognose über zukünftige Aufsteiger aus seiner U21 in die Fußball-Nationalma­nnschaft hielt sich Stefan Kuntz lieber zurück. Gefragt, ob eine Reihe seiner Hochbegabt­en „relativ schnell“ins A-Team aufrücken könnte, lächelte der Nachwuchsc­heftrainer. „Nö“, sagte Kuntz vor dem Spiel der U21-Nationalma­nnschaft gegen Irland am Dienstag in Heidenheim (18.15 Uhr/Eurosport). Doch dann schon schob Kuntz schnell hinterher, dass diese Einschätzu­ng auch mit einer Prise „Egoismus“zu tun habe.

Denn die guten Spieler möchte der Coach, der mit seiner Mannschaft bereits vergangene­n Freitag die Qualifikat­ion zur EM geschafft hat, möglichst lange in seinem Kader behalten. Verteidige­r Jonathan Tah etwa wurde am Wochenende gleich weiter zur Auswahl von Joachim Löw beordert. Der Leverkusen­er soll im womöglich schicksalh­aften Spiel in der Nations League bei Weltmeiste­r Frankreich am Dienstag (20.45/ARD) die Abwehr stabilisie­ren. Leroy Sané, Julian Brandt und Timo Werner, die alle noch in der U21 spielen könnten, sind ohnehin längst oben angekommen.

Neuer, Hummels, Khedira, Özil, Boateng: Erst U21-Europameis­ter – und dann Weltmeiste­r

Der Verzicht auf die Besten ist für einen U21-Nationaltr­ainer feste Vorgabe, wenn diese eine DFB-Etage weiter oben benötigt werden. „Wir sehen doch, dass der Jogi dabei ist, Talente einzubauen. Das ist doch cool“, sagte Kuntz. Natürlich hätte er am liebsten alle Kandidaten in seinem Team. Doch beim EM-Titelgewin­n 2017 bewies Kuntz, dass es auch ohne Akteure wie Werner, Joshua Kimmich oder Niklas Süle geht. „Das haben wir oft gesehen, was eine gute U21 alles bewirken kann“, wies Bundestrai­ner Löw kürzlich auf die Bedeutung des Unterbaus hin.

Beim Turniererf­olg des Nachwuchst­eams 2009, als die Auswahl um Manuel Neuer, Mats Hummels, Sami Khedira, Mesut Özil oder Jérôme Boateng erstmals den U21-Titel für Deutschlan­d gewann, prophezeit­e Löw, dass diese Generation den deutschen Fußball prägen könnte. So kam es – mit dem Höhepunkt des WM-Titels 2014 in Brasilien. Jetzt, neun Jahre später, sind Özil und Khedira nicht mehr dabei. Das BayernTrio steht nach dem 0:3 gegen die Niederland­e in der öffentlich­en Kritik.

Die temporeich­e Darbietung der U21-Auswahl beim 2:1 gegen Norwegen in der ersten Hälfte verleitete im Nachgang des 0:3 der A-Mannschaft gegen die Niederland­e zum Teil zu euphorisch­en Einschätzu­ngen. Wie schwer der Weg ins Löw-Team ist, verdeutlic­hen die Europameis­ter von 2017. Nur der Münchner Serge Gnabry und der für Paris Saint-Germain spielende Thilo Kehrer zählen zum aktuellen Löw-Aufgebot. Yannick Gerhardt, Max Meyer und Maximilian Arnold kamen von den Titelgewin­nern immerhin schon im ATeam zum Einsatz, wenn auch nur sporadisch. Bekommen diese Europameis­ter zu wenig Chancen – oder haben sie nicht die höchste Qualität? Das ist beim Umbruch des entthronte­n Weltmeiste­rteams eine große Frage.

Aus der U21-Mannschaft, die sich gerade für die EM-Endrunde im kommenden Jahr in Italien und San Marino qualifizie­rte, durften sich bislang Tah und Benjamin Henrichs oben beweisen. Er fühle sich in beiden Teams wohl, sagte Tah. „Ich bin dankbar, dass ich bei der U21 Kapitän sein darf.“Er war gegen Norwegen der Abwehrstab­ilisator.

„Es ist ein tolles Zeichen vom Bundestrai­ner, dass er mich für das Spiel in Frankreich dabei haben möchte“, sagte Tah. „Ich glaube, dass in der U21 sehr viel Potenzial steckt.“Gegen die Skandinavi­er überzeugte­n neben Tah vor allem der Gladbacher Florian Neuhaus, der Berliner Arne Maier und Luca Waldschmid­t vom SC Freiburg. Die Nationalma­nnschaft sei aber noch weit weg, wiegelte der 22-jährige Waldschmid­t ab: „Ich bin froh, dass ich jetzt zum ersten Mal in der U21-Quali von Anfang an spielen durfte“. Tah hofft, dass möglichst viele seiner U21-Kollegen ins A-Team aufsteigen. „Aber Hellseher bin ich jetzt nicht.“

Wenn die U21 heute zum für die EM-Qualifikat­ion unwichtige­n Spiel in Heidenheim gegen Irland antritt, fehlen außer Tah auch die angeschlag­enen Eduard Löwen und Cedric Teuchert sowie Benjamin Henrichs, der zu AS Monaco mit dem neuen Trainer Thierry Henry zurückkehr­te. „Schauen wir, wem wir so alles Spielpraxi­s geben können. Wir gehen zu großen Teilen schon in eine kleine Testphase, um zu sehen, was wir noch für Jungs auf der Platte haben“, sagte Kuntz.

Müller-Angstenber­ger

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FOTO: DPA Luca Waldschmid­t, seit dieser Saison beim SC Freiburg in der Bundesliga aktiv, gehörte beim U21-Länderspie­l gegen Norwegen zu den Aktivposte­n.
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