Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kind soll ein anderes Kind getötet haben
Achtjähriger von Baumstück erschlagen, Verdächtiger zwei Jahre älter – Aufwühlender Fall in Berlin
BERLIN (dpa) - Der kleine Junge wurde von einem schweren Holzklotz erschlagen, der aus dem Hochhaus im Berliner Norden herabstürzte. Ein Zehnjähriger aus der Nachbarschaft soll den tragischen Tod des Achtjährigen verursacht haben, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Der Zehnjährige sei dringend tatverdächtig. Er habe die Tat inzwischen eingeräumt.
Der Achtjährige war am Sonntag zusammen mit einem Freund gerade mit seinem Fahrrad unterwegs, als er von dem Stück einer Birke getroffen wurde. Der Holzklotz war aus einem 15-stöckigen Haus im Märkischen Viertel (Reinickendorf) in die Tiefe gefallen. Der Kleine wurde schwer am Kopf verletzt und starb. Der Vater des Jungen sagte der „Bild“-Zeitung, er könne nicht glauben, dass sein einziger Sohn nicht mehr lebe.
Die Ermittler werteten auch Videoaufnahmen aus dem Wohnhaus des Opfers aus. Die Wohnung der Eltern des tatverdächtigen Jungen wurde durchsucht. Dabei wurde Kleidung sichergestellt, die bei der Tat getragen worden sei.
Zum Hintergrund des Geschehens wurde am Dienstag nichts mitgeteilt. Am Montag hatte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, aber noch betont: „Wir ermitteln wegen eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes. Von einem Unglück gehen wir nicht aus.“
Schon bald nach der Tat waren Gerüchte aufgekommen, dass ein anderes Kind das Holzstück geworfen haben könnte. Der verdächtige Zehnjährige kann wegen seines Alters nicht bestraft werden – Kinder sind nicht strafmündig. Erst ab dem Alter von 14 Jahren können in Deutschland Taten strafrechtlich verfolgt werden.
Eine Augenzeugin, die den Tod des Achtjährigen miterlebte, hatte berichtet, der Holzklotz sei „in hohem Bogen“herabgestürzt. Das etwa 30 Zentimeter dicke und 40 bis 50 Zentimeter lange Teil des Baumstamms soll vor der Tat in der Nähe des Hauses gelegen haben.
Bewohner und Nachbarn entsetzt
Vor dem Hochhaus wurden Blumen niedergelegt und Kerzen entzündet. Auch ein Teddybär sollte an den Jungen erinnern. Auf einer Karte stand: „Warum? Du wolltest doch nur spielen.“Bewohner und Nachbarn zeigten sich entsetzt. Die 21-jährige Cousine des toten Jungen erzählte: „Er war sehr aktiv, ist überall hingeklettert, hat viel gespielt. Ich finde es einfach nur schrecklich.“
Das Märkische Viertel ist eine Hochhaussiedlung, die in den 1960er-Jahren am nördlichen Stadtrand West-Berlins gebaut wurde. 40 000 Menschen leben dort in 17 000 Wohnungen. In den 70er- und 80er-Jahren galt die Satellitenstadt als Problemviertel mit Kriminalität und Verwahrlosung. Die Wohnungsbaugesellschaften bemühten sich seitdem, durch Investitionen den Ruf wieder zu verbessern. Bewohner hatten berichtet, seit Monaten würden Wasserbomben, Müll, Möbelteile und Windeln von den Balkonen geworfen. Die Hausverwaltung gehe dagegen aber kaum vor.