Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zugunglück: Fahrer missachtet Verbot
Lastwagen hätte nicht nach Sipplingen fahren dürfen – Umleitung erfolgt über Autobahn
SIPPLINGEN - 16 Verletzte und ein Schaden, den die Polizei auf 250 000 Euro schätzt: In Sipplingen ist am Montagmorgen ein Regionalexpress mit einem Lastwagen zusammengestoßen, der die Gleise überquerte. Die genauen Umstände, wie es zu dem Unfall kommen konnte, müssen noch ermittelt werden. Fest steht aber, dass der Lastwagenfahrer mehrere Fahrverbotsschilder ignorierte und um eine Absperrung herumfuhr. Angaben der Pressestelle des Polizeipräsidiums Konstanz zufolge wird gegen den 51-Jährigen wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr und der fahrlässigen Körperverletzung in mehreren Fällen ermittelt.
Hintergrund ist, dass zwischen Sipplingen und Ludwigshafen die B 31-alt saniert wird. Der Abschnitt ist für mehrere Wochen komplett gesperrt und der Verkehr wird in dieser Zeit über die B 31-neu und über die Autobahn umgeleitet. Aus Richtung Überlingen ist die Straße zwar bis Sipplingen frei, doch das gilt nur für die Anlieger. Alle anderen Fahrer werden bereits unterhalb von Aufkirch zur Autobahn geleitet. „Dort ist die erste Vorankündigung, dass die B 31-alt wegen einer Baustelle gesperrt ist“, sagt Dirk Abel, Pressesprecher des Regierungspräsidiums Tübingen. Die Behörde ist für das Beschilderungskonzept zuständig, stimmt sie aber stets mit den Trägern öffentlicher Belange ab, etwa mit der Verkehrsbehörde und der Polizei vor Ort. Anlieger dürfen zwar trotz Sperrung möglichst weit fahren, damit sie ihre Häuser noch erreichen können. „Doch für alle anderen gelten die Fahrverbotsschilder und die Absperrungen“, sagt er und betont: „Die Durchfahrt ist verboten und so auch ausgeschildert.“
Schild wird nach Unfall abgeklebt
Unklar ist, ob der Lastwagenfahrer, der den Unfall am Montag baute, diese Schilder nicht sah, sie ignorierte oder falsch verstand. Sicher ist aber, dass er bis an die Absperrung vor der Baustelle fuhr. Dort befand sich zu diesem Zeitpunkt noch ein Umleitungsschild, das nach links zeigte – also über den Bahnübergang. Es galt aber nicht für Auto- oder Lastwagenfahrer, die dort ja ohnehin nicht mehr fahren dürfen, sondern für Radfahrer. Für wen die Umleitung galt, ist daran zu erkennen, dass oberhalb des Umleitungsschilds die Kennzeichnung des Fahrradwegs nach Konstanz/Ludwigshafen angebracht war. „Verkehrsrechtlich gilt dadurch die Umleitung für Radfahrer“, sagt Abel. Solch eine Kennzeichnung sei vollkommen üblich und verkehrsrechtlich notwendig. Weil der Unfall aber trotzdem passierte, wurde dieses Schild inzwischen mit orangenen Streifen überklebt. „Wir wollen möglichst verhindern, dass sich noch ein Lastwagen dorthin verirrt und das Schild dann möglicherweise falsch versteht“, sagt er, stellt aber klar: „Rein verkehrsrechtlich wäre das nicht notwendig gewesen.“
Der Bereich, in den der Lastwagenfahrer, der Stärke und leere Glasflaschen geladen hatte, einbog, ist aber zu klein, um dort zu wenden: Sein Anhänger ragte über die Gleise. Er konnte den Bahnübergang nicht mehr rechtzeitig räumen. Vermutlich stand er nur kurz dort. Laut Polizei ergab die erste Auswertung der digitalen Daten, dass er sich etwa 30 Sekunden im Bereich der Gleise befand, bevor es zum Zusammenstoß mit dem Zug mit rund 100 Fahrgästen kam. Wenn sich Schnellzüge nähern – dazu zählt auch der Interregio – dauert es nur wenige Sekunden, bis die Schranken geschlossen sind und der Zug durchfährt. Die Überprüfung der Anlage ergab, dass die Schranken- und Warnanlage korrekt in Betrieb war. Dies ergaben auch die Zeugenbefragungen der Polizei. Weil die Züge so schnell kommen, könnte es sein, dass der Lastwagenfahrer nicht bemerkte, dass sich die Halbschranke schloss und er auch die Signale weder hörte noch sah. Doch dazu kann die Polizei nach jetzigem Stand der Ermittlungen noch nichts sagen.
Der Lastwagenfahrer war von Gmünd in Niederösterreich in den Großraum Singen unterwegs, wo er einen Teil abladen sollte, bevor er seine Fahrt fortgesetzt hätte. Warum er trotz Sperrung die Strecke durch Sipplingen wählte und wie er an der Unfallstelle umdrehen wollte, muss bei den Ermittlungen noch geklärt werden.