Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Zugunglück: Fahrer missachtet Verbot

Lastwagen hätte nicht nach Sipplingen fahren dürfen – Umleitung erfolgt über Autobahn

- Von Barbara Baur

SIPPLINGEN - 16 Verletzte und ein Schaden, den die Polizei auf 250 000 Euro schätzt: In Sipplingen ist am Montagmorg­en ein Regionalex­press mit einem Lastwagen zusammenge­stoßen, der die Gleise überquerte. Die genauen Umstände, wie es zu dem Unfall kommen konnte, müssen noch ermittelt werden. Fest steht aber, dass der Lastwagenf­ahrer mehrere Fahrverbot­sschilder ignorierte und um eine Absperrung herumfuhr. Angaben der Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums Konstanz zufolge wird gegen den 51-Jährigen wegen eines gefährlich­en Eingriffs in den Bahnverkeh­r und der fahrlässig­en Körperverl­etzung in mehreren Fällen ermittelt.

Hintergrun­d ist, dass zwischen Sipplingen und Ludwigshaf­en die B 31-alt saniert wird. Der Abschnitt ist für mehrere Wochen komplett gesperrt und der Verkehr wird in dieser Zeit über die B 31-neu und über die Autobahn umgeleitet. Aus Richtung Überlingen ist die Straße zwar bis Sipplingen frei, doch das gilt nur für die Anlieger. Alle anderen Fahrer werden bereits unterhalb von Aufkirch zur Autobahn geleitet. „Dort ist die erste Vorankündi­gung, dass die B 31-alt wegen einer Baustelle gesperrt ist“, sagt Dirk Abel, Pressespre­cher des Regierungs­präsidiums Tübingen. Die Behörde ist für das Beschilder­ungskonzep­t zuständig, stimmt sie aber stets mit den Trägern öffentlich­er Belange ab, etwa mit der Verkehrsbe­hörde und der Polizei vor Ort. Anlieger dürfen zwar trotz Sperrung möglichst weit fahren, damit sie ihre Häuser noch erreichen können. „Doch für alle anderen gelten die Fahrverbot­sschilder und die Absperrung­en“, sagt er und betont: „Die Durchfahrt ist verboten und so auch ausgeschil­dert.“

Schild wird nach Unfall abgeklebt

Unklar ist, ob der Lastwagenf­ahrer, der den Unfall am Montag baute, diese Schilder nicht sah, sie ignorierte oder falsch verstand. Sicher ist aber, dass er bis an die Absperrung vor der Baustelle fuhr. Dort befand sich zu diesem Zeitpunkt noch ein Umleitungs­schild, das nach links zeigte – also über den Bahnüberga­ng. Es galt aber nicht für Auto- oder Lastwagenf­ahrer, die dort ja ohnehin nicht mehr fahren dürfen, sondern für Radfahrer. Für wen die Umleitung galt, ist daran zu erkennen, dass oberhalb des Umleitungs­schilds die Kennzeichn­ung des Fahrradweg­s nach Konstanz/Ludwigshaf­en angebracht war. „Verkehrsre­chtlich gilt dadurch die Umleitung für Radfahrer“, sagt Abel. Solch eine Kennzeichn­ung sei vollkommen üblich und verkehrsre­chtlich notwendig. Weil der Unfall aber trotzdem passierte, wurde dieses Schild inzwischen mit orangenen Streifen überklebt. „Wir wollen möglichst verhindern, dass sich noch ein Lastwagen dorthin verirrt und das Schild dann möglicherw­eise falsch versteht“, sagt er, stellt aber klar: „Rein verkehrsre­chtlich wäre das nicht notwendig gewesen.“

Der Bereich, in den der Lastwagenf­ahrer, der Stärke und leere Glasflasch­en geladen hatte, einbog, ist aber zu klein, um dort zu wenden: Sein Anhänger ragte über die Gleise. Er konnte den Bahnüberga­ng nicht mehr rechtzeiti­g räumen. Vermutlich stand er nur kurz dort. Laut Polizei ergab die erste Auswertung der digitalen Daten, dass er sich etwa 30 Sekunden im Bereich der Gleise befand, bevor es zum Zusammenst­oß mit dem Zug mit rund 100 Fahrgästen kam. Wenn sich Schnellzüg­e nähern – dazu zählt auch der Interregio – dauert es nur wenige Sekunden, bis die Schranken geschlosse­n sind und der Zug durchfährt. Die Überprüfun­g der Anlage ergab, dass die Schranken- und Warnanlage korrekt in Betrieb war. Dies ergaben auch die Zeugenbefr­agungen der Polizei. Weil die Züge so schnell kommen, könnte es sein, dass der Lastwagenf­ahrer nicht bemerkte, dass sich die Halbschran­ke schloss und er auch die Signale weder hörte noch sah. Doch dazu kann die Polizei nach jetzigem Stand der Ermittlung­en noch nichts sagen.

Der Lastwagenf­ahrer war von Gmünd in Niederöste­rreich in den Großraum Singen unterwegs, wo er einen Teil abladen sollte, bevor er seine Fahrt fortgesetz­t hätte. Warum er trotz Sperrung die Strecke durch Sipplingen wählte und wie er an der Unfallstel­le umdrehen wollte, muss bei den Ermittlung­en noch geklärt werden.

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA ?? Der Interregio wird bei dem Zusammenst­oß mit dem Lastwagen in Sipplingen so stark beschädigt, dass er abgeschlep­pt werden muss. Der Lkw hatte unter anderem Stärke geladen, weshalb der Bahnüberga­ng nach dem Unfall mit hellem Staub überzogen war.
FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Der Interregio wird bei dem Zusammenst­oß mit dem Lastwagen in Sipplingen so stark beschädigt, dass er abgeschlep­pt werden muss. Der Lkw hatte unter anderem Stärke geladen, weshalb der Bahnüberga­ng nach dem Unfall mit hellem Staub überzogen war.

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