Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zeit fürs tonlose Handy
Kürzlich sah ich einen Film über einen Zeitreisenden. Es verschlug ihn aus den 1950erJahren mitten ins Jahr 1985. Er staunte über allerlei Wunderlichkeiten: „In der Zukunft werden die Telefone immer kleiner. Aber die Lautsprecher werden riesengroß.“Mit den Lautsprechern meinte er die mitgeschleppten Ghettoblaster. Heute kann man dieser Zeit nachtrauern. Wie herrlich sperrig diese Technik war! Die Grundausrüstung für alle Breakdance-Jungs in komisch geschnittenen Röhrenhosen, die sich in der Fußgängerzone auf der Schädelplatte im Kreis drehten. Manchmal sieht man immer noch Punks, in der Rechten warmes Bier, in der linken einen Ghettoblaster, aus dem die Sex Pistols bollern. Das ist so hoffnungslos retro, man hat sie fast schon wieder lieb. Auch, weil diese Punks noch eine ungefähre Vorstellung von akzeptabler Soundtechnik haben. Davon ist bei den meisten anderen nicht mehr geblieben als das, was in ein Handy passt. Viel ist das nicht. Neulich wollte mir jemand eine Sinfonie auf einem Handy vorspielen. Ein paar zahnstochergroße Soundlöcher für ein ganzes Orchester! Andererseits: Kids, aus deren Handys die Lieder von Bushido und Kollegah plärren, brauchen nicht mehr. Je weniger Sound, desto besser. Bald wird das schalldichte Handy auf den Markt kommen. Eines, das den Textmüll der Gangsterrapper nur noch tonlos rüttelt und vibriert. Denn jede Zeit gebiert irgendwann die zu ihr passende Technik.