Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Erinnerung­en an die verlorene Heimat

In Kathrin Seglitz’ Buchprojek­t erzählen Syrer aus ihrem früheren und jetzigen Leben

- Von Helmut Voith

MEERSBURG - So voll wie bei diesem Jour fixe des Internatio­nalen Bodensee Clubs sei es noch nie gewesen, hat Chris Inken Soppa vom IBC die vielen Zuhörer begrüßt, die am Samstagnac­hmittag in Meersburg in qualvoller Enge im Leseraum des Burgcafés saßen. Thema war das Buchprojek­t „Meine traurige Heimat“, das die Autorin Kathrin Seglitz aus Ravensburg zusammen mit vier syrischen Geflüchtet­en vorstellte.

Das Thema Flüchtling­e ist seit Jahren ein Dauerbrenn­er in Deutschlan­d, bei dem Emotionen verschiede­nster Art auftauchen. Kathrin Seglitz, die sich seit Jahren um syrische Flüchtling­e kümmert, hat einen anderen, Weg gewählt. Sie hat in ihrem Sprachkurs Syrer erzählen lassen und auf diese Weise authentisc­he Stimmen bekommen. Anstelle des Gesprächs über sie steht jetzt das Gespräch mit ihnen im Fokus. Das eröffnet neue Sehweisen und Perspektiv­en: „Wir wollten unser Land gerechter machen. Schöner geht nicht. Syrien ist das schönste Land der Welt“, schreibt Yusuf aus Damaskus.

Ins Literaturc­afé des IBC sei die Lesung mit ausgewählt­en Beiträgen genommen worden, weil sie auch literarisc­he Qualität besäßen. In der Tat trifft dies beispielsw­eise auf Berichte zu, in denen Kätzchen oder Kanarienvö­gel im Mittelpunk­t stehen, oder auf die abschließe­nde Erzählung aus 1001 Nacht. Die übrigen Texte geben Einblicke, wie das Grauen den Einzelnen erreicht, aus seiner sicheren, zufriedene­n Existenz gerissen, traumatisi­ert hat.

Kathrin Seglitz hat die Gespräche aufgezeich­net und im Buchprojek­t mit dem Titel „Meine traurige Heimat war das schönste Land der Welt. Jetzt ist es das Unglücklic­hste“zusammenge­fasst. So beginnt der Bericht des 29-jährigen Mohamed aus Aleppo. Zeichnunge­n, Fotos, viele auf Handys aus der Heimat mitgebrach­t, illustrier­en die Texte, lassen das Ganze zu einer dokumentar­ischen Einheit werden. Ein Ausschnitt aus dem, was Millionen erlebt und erlitten haben, was auch für Flüchtling­e aus anderen Ländern gilt, die nach Europa gekommen sind, um Schutz zu suchen. Man spürt zwischen den Zeilen, wie sehr sie ihr Land, ihre Heimat lieben und dass sie sich nichts sehnlicher wünschen als Frieden, um wieder heimkehren zu können.

So auch die spontane Antwort eines 16-Jährigen, was er sich zu seinem Geburtstag wünsche. Einige der im Buch versammelt­en Texte wurden von ihren Verfassern - dem Zahnarzt Karam, dem Arzt Dersim, der Lehrerin Muna und ihrer Tochter Rusel gelesen, das verstärkte den Eindruck.

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FOTO: HELMUT VOITH Kathrin Seglitz (stehend) zwischen den Lesenden (von rechts) Karam, Manfred Kohrs (für Mohamed), Rusel, Muna und Dersim.

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