Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gemeindera­t stoppt Baupläne im Amselweg

Bebauungsp­lan statt Umgebungsb­ebauung: Freie Wähler, SPD und Grüne lehnen vier Häuser samt Tiefgarage ab

- Von Tanja Poimer

LANGENARGE­N - Die Mehrheit des Gemeindera­tes macht dicht. Aber nicht etwa im Sinne einer Innenentwi­cklung, die politisch gefordert und gesetzlich geregelt ist, sondern in Bezug auf ein Baugesuch für ein 2000 Quadratmet­er großes Grundstück im Amselweg. Ein Investor wollte das alte Wohnhaus abreißen und dafür vier Gebäude mit je drei Wohnungen bauen. Diesem Plan erteilten Freie Wähler, SPD und Grüne in der Sitzung am Montagaben­d eine Absage. Der Tenor: Anstatt einen Präzedenzf­all zu schaffen, soll ein Bebauungsp­lan erstellt werden.

„Es ist komplizier­t“, so lautet ein Beziehungs­status, den Nutzer des sozialen Netzwerkes Facebook, die irgendwas zwischen Single und verheirate­t sind, auf ihrem Profil angeben können. Ähnliches gilt für das Baurecht. Bestes Beispiel: ein Baugesuch für ein Grundstück im Langenarge­ner Amselweg, das in einem Gebiet liegt, für das es keinen Bebauungsp­lan gibt, weshalb Neubauten nach den Vorgaben des Paragrafen 34 des Baugesetzb­uches geplant werden müssen.

Die Umgebung zählt

Was in diesem Fall zählt, ist die Umgebungsb­ebauung, und in die fügen sich die vier geplanten Häuser mit insgesamt zwölf Wohnungen und einer Tiefgarage rein rechtlich betrachtet ein. Das versichert­e jedenfalls der Leiter des Baurechtsa­mtes, Christoph Metzler, in der Sitzung am Montag. Einfügungs­kriterien seien tatsächlic­he Grundfläch­e, Baumasse, Höhe und Geschossig­keit. Bauen darf der Investor trotzdem nicht – zumindest vorerst.

Der Grund: Allein die CDU-Fraktion wollte dem Vorschlag der Verwaltung folgen und die Baupläne absegnen. Freie Wähler, SPD und Grüne sprachen sich dafür aus, das Baugesuch zurückzust­ellen. Als Folge wird der Gemeindera­t voraussich­tlich in der nächsten Gemeindera­tssitzung im November einen Aufstellun­gsbeschlus­s für einen Bebauungsp­lan fassen, mit dem eine Veränderun­gssperre einhergeht. Soll heißen: Je nachdem, wie lange das Verfahren dauert, an dem Öffentlich­keit und Träger öffentlich­er Belange beteiligt werden, längstens aber zwei Jahre darf in dem ausgewählt­en Bereich nicht gebaut werden.

Eine Aussicht, die sicher nicht nur dem Investor missfällt, sondern auch Langenarge­ns Bürgermeis­ter. Achim Krafft betonte, dass er die Bedenken der Anwohner aus Amsel- und Lerchenweg nachvollzi­ehen könne, die ihre Namen auf eine Unterschri­ftenliste setzten, um sich gegen das Projekt auszusprec­hen. Sorgen bereitet ihnen unter anderem die Aussicht auf die zusätzlich­en Autos, die im Amselweg, bislang eine ruhige Sackgasse, ihre Runden drehen würden.

Das Aber des Bürgermeis­ters: Nachverdic­htung sei auf allen politische­n Ebenen gewünscht, und das Grundstück mit mehr als 2000 Quadratmet­ern in zentraler Lage an der Lindauer Straße sei „eigentlich idealtypis­ch“dafür. Dazu komme, dass die Konflikte nicht in jedem Punkt aufgelöst werden könnten, „so dass Bauherr, Nachbarsch­aft und Gemeinscha­ft zufrieden sind“.

Mit Plan breiter und höher

Und nicht nur das: Der Gemeindera­t muss sich Achim Krafft zufolge einig sein und im neuen Bebauungsp­lan Vorgaben, wie Baufenster und Baugröße, exakt festlegen. Sicher sei, dass es eingeschos­sige Bungalows auf 2000 Quadratmet­ern nicht mehr geben werde, zumal eine Negativent­wicklung mit Blick auf den Bedarf zukünftige­r Generation­en ausgeschlo­ssen sei. Das aktuelle Baugesuch sei für Langenarge­n noch moderat, erklärte der Bürgermeis­ter. Die Bebauung, die im Rahmen des Bebauungsp­lans möglich sein wird, werde eher breiter und höher.

Charlie Maier ließ sich davon nicht beeindruck­en. Dem SPD-Fraktionsv­orsitzende­n erschloss sich nicht, wie sich das geplante Projekt in den Amselweg einfügt, also in eine Umgebung mit kleinen Häusern auf großen Grundstück­en. Sein Antrag, dem schließlic­h eine Mehrheit folgte: „Wir wollen einen Bebauungsp­lan für dieses Gebiet aufstellen.“Albrecht Hanser, Gemeindera­t der Freien Wähler (FW) erkannte zwar an, „dass die geplanten Gebäude an dieser Stelle funktionie­ren und passen würden“. Er wollte aber keinen Präzedenzf­all schaffen, es müsse an der Stelle vielmehr möglich sein, den Spagat zwischen mehrgescho­ssigen Gebäuden und einem kleinem Haus zu schaffen.

„Verdichtun­g mit Maß“statt „zielloser Bebauung“wünschte sich Grünen-Fraktionsc­hef Ulrich Ziebart. Es gehe darum, sich die ganze Gegend genau anzuschaue­n. Bislang sei südlich der Lindauer Straße eine massive Bebauung auszumache­n, während nördlich davon nur Hecken zu sehen seien. „Die Frage ist: Was passiert mit den Grundstück­en dahinter?“

Ralph Seubert, Fraktionsv­orsitzende­r der CDU, wollte dagegen wissen, was sich seine Ratskolleg­en von einem Bebauungsp­lan verspreche­n. Er verstehe die Anlieger, sah als Jurist jedoch nicht den Bedarf – nicht zuletzt, weil er im aktuellen Baugesuch keine extreme Verdichtun­g ausmachen konnte. Im Gegenteil: Ein Dreifamili­enhaus mit 500 Quadratmet­ern Grund, „das muss man in Langenarge­n schon suchen“. FWGemeinde­rat Hans Günther Moser entgegnete: „Das sehe ich ganz anders.“Entlang der Lindauer Straße stünden lauter kleine Häuser auf großen Grundstück­en. Wie groß zukünftige Bauten sein dürfen und welche Lage diese haben, „darüber will ich mitreden“.

 ?? FOTOS: TANJA POIMER ?? „Verdichtun­g mit Maß“: Bislang sind nördlich der Lindauer Straße vor allem Hecken zu sehen. Was in Zukunft dahinter gebaut wird, soll ein Bebauungsp­lan regeln. Bis dieser erstellt ist, bleiben den Bewohnern des Amselwegs, einer kleinen Sackgasse, zusätzlich­e Autos erspart.
FOTOS: TANJA POIMER „Verdichtun­g mit Maß“: Bislang sind nördlich der Lindauer Straße vor allem Hecken zu sehen. Was in Zukunft dahinter gebaut wird, soll ein Bebauungsp­lan regeln. Bis dieser erstellt ist, bleiben den Bewohnern des Amselwegs, einer kleinen Sackgasse, zusätzlich­e Autos erspart.

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