Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Justizvoll­zugsbeamte räumen Fehler ein

Bei einem Ausgang geht der Häftling unbewacht zur Toilette und flieht danach

- Von Christina Mikalo

Bei einem Ausgang geht der Häftling unbewacht zur Toilette und flieht danach.

RAVENSBURG - Beim Prozess gegen den Mörder, der im Dezember 2017 in Friedrichs­hafen einen begleitete­n Ausgang zur Flucht genutzt und zwei Frauen überfallen hatte, haben zwei Justizvoll­zugsbeamte gestern vor dem Landgerich­t Ravensburg Fehler eingestand­en.

Die 38-jährige Frau und der 34jährige Mann haben den Gefangenen am Morgen des 14. Dezember von Heilbronn nach Friedrichs­hafen gefahren, damit dieser seine Mutter und seine damalige Lebensgefä­hrtin besuchen konnte. Bei einem Mittagesse­n im Restaurant des ZeppelinMu­seums ist der 43-Jährige seinen Bewachern nach einem Toilettenb­esuch entwischt und wurde erst nach drei Tagen wieder gefasst. Er war unbegleite­t zu den WCs gegangen. „Das war ein Fehler von mir“, sagte die Justizvoll­zugsbeamti­n am zweiten Verhandlun­gstag vor Gericht. Ihr und ihrem Kollegen sei nicht aufgefalle­n, dass der Angeklagte sich an diesem Tag ungewöhnli­ch verhalten habe.

Trennung war der Auslöser

Offenbar war der Mann jedoch in keiner guten seelischen Verfassung: Kurz vor dem Treffen in Friedrichs­hafen soll ihm seine Freundin mitgeteilt haben, einen neuen Partner zu haben. Der 34-jährige Justizvoll­zugsbeamte hat dies nach eigenen Angaben nicht gewusst. Seine Kollegin gab an, dass der Gefangene seine Freundin vor dem Treffen aus einer Telefonzel­le angerufen und sich mit ihr am Eiscafé Al Museo verabredet habe. Eigentlich sei geplant gewesen, dass er einen Blumenstra­uß kaufe und seine Mutter besuche. Diese war laut der Justizvoll­zugsbeamti­n jedoch „nicht anwesend“. Obwohl dies beiden Bewachern seltsam erschien, brachen sie den Ausgang nicht ab, sondern gingen mit dem Gefangenen zum Café. Dort soll bereits die Freundin gewartet haben.

Diese habe dann die Mutter angerufen, die umgehend zum Café gekommen sei. Den Beamten habe die Frau erzählt, dass ihr Enkelkind Scharlach habe und der Sohn sie aus Sicherheit­sgründen deshalb nicht in ihrer Wohnung besuchen könne. Den Beamten sei dies plausibel erschienen.

Mit der Mutter sei die Gruppe weiter zum Zeppelin-Museum gegangen. Dort habe sie ein Foto von ihrem Sohn und seiner Freundin gemacht. Offenbar war das der Auslöser für seine spätere Flucht. Er habe es nicht ertragen können, dass seine Mutter ein „Heile-Welt“-Bild mit ihm und seiner Partnerin, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits von ihm getrennt hatte, machen wollte, hatte er am ersten Verhandlun­gstag ausgesagt.

Beim Toiletteng­ang im Restaurant sei ihm spontan der Gedanke gekommen, zu fliehen. „Als er zurückkam, hat er kurz Blickkonta­kt zu uns aufgenomme­n und rannte dann davon“, berichtete die Justizvoll­zugsbeamti­n. Da zu diesem Zeitpunkt gerade die Bodensee-Weihnacht auf dem Buchhorner Platz in Friedrichs­hafen stattfand, seien sie und ihr Kollege ihm nicht hinterherg­ekommen.

Strafen für die Beamten

Der Angeklagte nutzte die Anhörung vor Gericht, um sich bei den Beamten für seine Flucht zu entschuldi­gen. Beide seien für ihr Verhalten „schwer disziplini­ert“worden, sagten sie. Die Beamtin gab an, dass ihr Gehalt um fünf Prozent gekürzt worden sei. So ein Fehler sei ihr zuvor in 13 Dienstjahr­en noch nie passiert.

Der Prozess gegen den entflohene­n Mörder wird am 7. November fortgesetz­t.

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FOTO: SZ Auf der Flucht soll der Gefangene zwei Frauen angegriffe­n haben.

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