Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Raubüberfall: Angeklagter erhält Freiheitsstrafe
Komplizen sitzen Haftstrafe bereits ab – Die Opfer, ein Tettnanger Ehepaar, leiden heute noch unter dem Erlebten
TETTNANG/RAVENSBURG - Vor mehr als zwei Jahren war ein Ehepaar in Tettnang vor der eigenen Haustür von einer Bande überfallen und ausgeraubt worden. Ein 35-Jähriger Mann, der an dem Raubüberfall beteiligt war, wurde gestern vom Landgericht Ravensburg wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und des Handels mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Nach zunächst elf Monaten im Gefängnis wird der Mann wegen seiner Drogenabhängigkeit in den Maßregelvollzug eingewiesen.
Wie berichtet, musste das Verfahren gegen ihn wegen Formfehlern im ersten Prozess neu aufgerollt werden. Komplizen des 35-Jährigen sitzen bereits mehrjährige Haftstrafen ab. Der Angeklagte selbst hat bereits mehrere Monate in Untersuchungshaft verbracht.
In seiner Urteilsbegründung sowohl zum Strafmaß in Sachen Drogenhandel, vor allem aber zum Raubüberfall, widersprach der Vorsitzende Richter Stefan Maier der Verteidigung, die ausgeführt hatte, der Überfall sei „nicht besonders professionell“ausgeführt worden, weil sich die Täter „viel zu lang am Tatort“aufgehalten hatten und zu viele Personen eingeweiht gewesen waren.
Für den Kammervorsitzenden war das Gegenteil der Fall. Die Tat sei keineswegs dilettantisch und schlampig vorbereitet, sondern mit einem „hohen Maß an Vorarbeiten“verbunden gewesen, an denen der Angeklagte maßgeblich beteiligt, wenn nicht sogar der Initiator gewesen war. Die Idee sei von ihm gekommen, er habe sich um das Hintergrundwissen gekümmert und mit seinen Taten geprahlt.
Bei dem Überfall hatte die Bande zwischen 20 000 und 30 000 Euro erbeutet. Von dem Geld fehlt allerdings bis heute jede Spur. Möglicherweise hat es ein unbekannter Beteiligter mitgehen lassen, der im Gerichtssaal unter dem Pseudonym „Holländer“gehandelt wurde.
Der Richter teilte dem Angeklagten mit, dass das von ihm überfallene ältere Ehepaar – welches vor Gericht nicht aussagen musste – heute noch unter dem Geschehen leide und sich seit zweieinhalb Jahre in ärztlicher Behandlung befinde. „Das muss sich der Angeklagte zurechnen lassen“, sagte der Vorsitzende.
Mit einem Messer und einer Schusswaffe hatten zwei aus der Bande das Ehepaar bei dessen Heimkehr am Abend bedroht und den Mann an der Hand verletzt. Um eine weitere Eskalation zu verhindern, hatte die Frau den Räubern schließlich das Geld überlassen. Zuvor hatte vor allem der 35-Jährige die Gewohnheiten des Ehepaares ausspioniert und sie nach einem Restaurantbesuch in Fischbach bis nach Tettnang verfolgt sowie telefonische Hinweise an die Täter vor Ort gegeben. Er und seine Komplizen versprachen Der Angeklagte sich, leichte Beute machen zu können.
Die Vertreterin der Anklage erachtete eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren als tat- und schuldangemessen und forderte die zeitweise Unterbringung des Angeklagten in einer Entzugsanstalt, da sie einen Zusammenhang zwischen Tat und Drogenabhängigkeit sah.
Es ist erwiesen, dass der Mann 500 Gramm Kokain besorgt und in die Schweiz gebracht hatte, das Gramm zu 70 Schweizer Franken. Außerdem hatte er an der holländischen Grenze ein halbes Kilo Kokain für 50 Euro das Gramm besorgt, nach Friedrichshafen gebracht und von dort in zwei Teillieferungen in einer Qualität von 40 Prozent durch Kuriere in die Schweiz bringen lassen.
Der Sachverständige, der mehr als sieben Stunden mit dem Beschuldigten gesprochen hatte, berichtete von dessen Alkoholkontakten mit 13 Jahren, mit Amphetaminen und Kokain mit 15 Jahren und regelmäßigem Kokainkonsum ab dem 18. Lebensjahr. Er diagnostizierte weder eine Schuldunfähigkeit noch eine verminderte Steuerungsfähigkeit, stattdessen den Hang, Suchtmittel im Übermaß zu konsumieren. Der Grund für den Überfall auch in Tettnang sei gewesen, sich Geld zu beschaffen, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren. Kokain sei eine „schwierige Substanz“, sagte der Gutachter, werde oft von Menschen konsumiert, „die beruflich nach vorne müssen“.
Acht Jahre und drei Monate Gefängnis beantragte der Verteidiger, der drei Monate als vollstreckt angesehen haben wollte, und auf das „umfassende und werthaltige Geständnis“seines Mandanten verwies. Dessen Suchterkrankung habe seine Wahrnehmung beeinträchtigt, die Taten seien in einer Lebenskrise des Angeklagten erfolgt. Die Opfer-Folgen beurteilte er als „überschaubar“.
„Ich hab‘ mein ganzes Leben versaut und meinen Sohn seit zweieinhalb Jahren nicht gesehen“, sagte der Angeklagte und bat, eine Therapie machen zu dürfen. Der Überfall auf das Ehepaar beschäftige ihn sehr, es tue ihm leid, was geschehen sei, sagte er in seinem Schlusswort.
„Ich hab‘ mein ganzes Leben versaut.“