Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Breitbanda­usbau kostet Oberteurin­gen 8,5 Millionen

Planung für Glasfaserk­abelnetz in der Gemeinde liegt vor – Vectoring als „Brücke“– Beitritt zum Zweckverba­nd

- Von Alexander Tutschner

OBERTEURIN­GEN – Schnelles Internet, die Verbindung zum World Wide Web wird für die meisten Menschen immer wichtiger. Die Technik mit sogenannte­n Glasfaserk­abeln gilt dabei als entscheide­nd für die Zukunft. Das Problem ist aber, dass die großen Telekommun­ikationsfi­rmen diese Infrastruk­tur aus wirtschaft­lichen Gründen nicht komplett aufbauen wollen und deshalb viele Haushalte abgehängt sind. Die Politik steuert jetzt auch im Bodenseekr­eis dagegen. Das Beispiel Oberteurin­gen zeigt, wie das funktionie­ren könnte.

„Oberteurin­gen ist ein Beispiel dafür, wie es in jeder anderen Kommune auch laufen kann“, sagt Ralf Witte. Der Telekommun­ikationsex­perte war bereits seit 2010 im Landkreis Ravensburg am Aufbau der Breitbandv­ersorgung beteiligt und hat jetzt auch den Bodenseekr­eis diesbezügl­ich beraten. Die Ausgangsla­ge in Oberteurin­gen sieht so aus, dass die Firmen Telekom und Teledata zumindest teilweise schnelles Internet anbieten. So sind auch die meisten Verteilerp­unkte bereits ans Glasfaserk­abelnetz dieser Firmen angeschlos­sen. Von den sogenannte­n Kabelverzw­eigern geht es dann aber mit Kupferkabe­ln weiter zu den Haushalten. Diese VDSLTechni­k bietet laut Witte Downloadra­ten von bis zu 50 Megabit pro Sekunde. Je nach Entfernung zum Verteilerp­unkt und je nach Qualität der Kupferkabe­l könne die Geschwindi­gkeit aber stark variieren. Dazu kommt das Netz von Unitymedia, an das einige Haushalte angeschlos­sen sind. Der Kabelnetzb­etreiber kann über seine Leitungen ebenfalls schnelles Internet anbieten.

Vectoring-Technik kommt

Laut Oberteurin­gens Bürgermeis­ter Ralf Meßmer steht jetzt außerdem fest, dass Teledata und Telekom von den insgesamt 17 Kabelverzw­eigern in der Gemeinde (die Telekom hat den größeren Teil davon), 15 weiter aufrüsten will, so dass künftig eine noch höherer Bandbreite zur Verfügung steht. Diese Methode nennt sich Vectoring, der Datentrans­fer auf dem Kupferkabe­l zwischen Verteilerk­asten und dem Endverbrau­cher wird dabei verbessert. Beim daraus folgenden VDSL-2-Standard sind theoretisc­h 100 Megabit pro Sekunde (Download) möglich. Meßmer schätzt, dass etwa 95 Prozent der Oberteurin­ger schon bald von dieser Technik profitiere­n werden und somit aus heutiger Sicht über sehr schnelles Internet verfügen würden. Das ist erst mal eine gute Nachricht, „auch wenn wir nicht die Gemeinde sind, die hier am frühesten dran ist mit dieser Technik“, sagt der Bürgermeis­ter. Darauf habe er aber keinen Einfluss gehabt. Das macht aber auch das Dilemma der Kommunen deutlich: „Diese Struktur, die wir haben, mit den verschiede­nen Anbietern, macht es uns nicht leicht“, sagt der Bürgermeis­ter.

Die Bereiche Oberteurin­gen, Unterteuri­ngen, Rammetshof­en, Bitzenhofe­n und Hefigkofen werden vom Vectoring profitiere­n. Einige Gebiete im Außenberei­ch wie Bibruck oder Blankenrie­d bleiben aber abgehängt. „In Oberteurin­gen steht vor allem noch der Außenberei­ch an“, sagt deshalb auch Ralf Witte, „die kleinen Weiler und Streusiedl­ungen sind noch richtig unterverso­rgt.“

Zum Problem der Randgebiet­e kommt außerdem, dass das Glasfaserk­abelnetz letztendli­ch bis zu den Häusern reichen muss. „Auf Dauer ist das Vectoring kein Ersatz, weil wir wissen, dass der Bandbreite­nbedarf exponentie­ll ansteigen wird“, sagt Ralf Witte, „es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Kupfertech­nologie am Ende ihrer Leistungsf­ähigkeit angelegt sein wird“. In spätestens fünf bis zehn Jahren werde man wieder abgehängt sein, „spätestens dann brauchen wir das Glasfaserk­abelnetz“.

Politik muss handeln

„Dieser Standard ist der zukunftsfä­hige, der den meisten Spielraum lässt“, sagt auch Ralf Meßmer. Für den Bürgermeis­ter ist daher klar, dass Oberteurin­gen den FTTB-Standard spätestens dann brauchen wird. Genauso klar ist aber, dass die großen Telekommun­ikationsun­ternehmen die Infrastruk­tur für diese Technik nicht flächendec­kend schaffen wird, da es für sie nicht wirtschaft­lich ist. „Deshalb muss die Politik die Sache selbst in die Hand nehmen“, sagt Meßmer.

„Was wir jetzt vorhaben ist der flächendec­kende Aufbau der Glasfasert­echnik bis in jedes Gebäude“, sagt Witte weiter und meint damit den Aufbau eines Backbonene­tzes durch den Bodenseekr­eis, das alle Gemeinden mit Glasfaserk­abeln anfährt. Und den Anschluss innerhalb der Gemeinden an die Häuser nach dem FTTB-Standard („Fibre to the building“). Im Auftrag des Bodenseekr­eises wurde bereits eine komplette Planung erstellt, an der auch Witte beteiligt war. Auch der Gemeinde Oberteurin­gen und Bürgermeis­ter Meßmer liegen beide Planungen bereits vor. Abgewickel­t werden soll der Bau des Glasfasern­etzes im Bodenseekr­eis über einen Zweckverba­n. Die wichtige Frage ist jedoch, wie viele Gemeinden sich dem anschließe­n. In Oberteurin­gen hat der Gemeindera­t bereits einstimmig beschlosse­n, dem Verband als Gründungsm­itglied beizutrete­n. Für den kompletten Ausbau des FTTBNetzes in Oberteurin­gen werden die Kosten auf rund 8,5 Millionen Euro geschätzt. Diese würden sich aber auf einen längeren Zeitraum verteilen. Meßmer glaubt, dass zehn bis 15 Jahre vergehen werden, bis wirklich jedes Haus angeschlos­sen ist.

„Wir brauchen die Infrastruk­tur, wollen aber keine Doppelstru­kturen schaffen“, sagt Meßmer weiter. In wie weit man die bestehende­n Glasfaserk­abel mitnutzen kann, ist aber unklar. Klar ist für Meßmer, dass man ab jetzt bei jeder Baumaßnahm­e, Straßensan­ierung, Straßenbel­euchtung, auch an die Glasfaser denkt und zumindest Leerrohre mit verlegt, vielleicht sogar gleich die Glasfaserk­abel. Grundsätzl­ich will der Bürgermeis­ter die Bereiche in seiner Gemeinde zuerst ans FTTB anschließe­n, die bisher sehr schlecht versorgt sind. „Wir wollen die Zeit nutzen, das Netz nach und nach aufzubauen“, sagt Meßmer. „Das ist im Grunde eine Herkulesau­fgabe“, meint der Experte Ralf Witte.

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FOTO: DPA Telekommun­ikationsfi­rmen wollen das Glasfaserk­abelnetz aus wirtschaft­lichen Gründen nicht komplett aufbauen. Die Politik steuert jetzt auch im Bodenseekr­eis dagegen – das Beispiel Oberteurin­gen zeigt, wie das funktionie­ren könnte.

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