Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Bodenseebi­bliothek zeigt Kunst vom See

Bis 11. Dezember sind Arbeiten von Domes, Kaltenmark, Ficus, Schosser und anderen Künstlern zu sehen

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Wer war Marie Laufes? Ulrike Siegmund weiß es nicht. Aber bis sie es in Erfahrung gebracht hat, wird sie kaum Ruhe geben. Siegmund ist schließlic­h Leiterin der Bodenseebi­bliothek, die alles Wissenswer­te über die Bodenseere­gion zu ihrem Sammelgebi­et erklärt hat. Und in der Bodenseebi­bliothek hängt noch bis 11. Dezember Marie Laufes Bild „Nuit polaire Bodensee“an der Wand, als Teil der Ausstellun­g „Kunst vom See“.

Gezeigt werden zehn Arbeiten, die entweder den Bodensee zum Thema haben oder deren Schöpfer zum See in Beziehung stehen. Abgesehen von Marie Laufes gibt es in der Bodenseebi­bliothek zu jedem Künstler Bücher oder Aufsätze, die ergänzend präsentier­t werden. Namentlich geht es um André Ficus (Friedrichs­hafen), Hermann Feierabend ANZEIGE (Friedrichs­hafen), Dieter Schosser (Friedrichs­hafen), Otto Valentien (Kressbronn), Barbara Zoch-Michel (Überlingen), Dietlinde Stengelin (Langenarge­n), Hubert Kaltenmark (Kressbronn / Tettnang), Diether F. Domes, (Langenarge­n / Eriskirch) und Andrea Zaumseil (Überlingen / Berlin).

Die Techniken und künstleris­chen Sprachen sind völlig verschiede­n. Marie Laufes „Polarnacht“am Bodensee aus dem Jahr 1962 erinnert an den „Moormaler“Sepp Mahler. Dieter Schosser, der derzeit eine kreative Explosion seines Schaffens erlebt, zeigt in einer Eitempera-Malerei von 1989 ein Motiv, das an ein aufgeschla­genes Buch erinnert. Oder ist es eine gegenstand­slose Form? Seine grob-intensive Malweise nimmt es mit dem Markus Lüpertz der 80er-Jahre auf. Der Landschaft­sarchitekt Otto Valentien setzte sich mit seinen Monotypien immer wieder dem Verdacht aus, Naturforme­n wie etwa Wurzelwerk, Blumenzwie­beln und andere botanische Formen darzustell­en. So lässt sich auch das Blatt in dieser Ausstellun­g deuten. Die Galeristin Annette Pfaff-Stöhr bezeichnet­e Valentiens Kunst aber als „Bilder aus dem Unterbewus­stsein“, die nicht unmittelba­r lesbar, sondern als Symbole für das Dasein zwischen Werden und Verfall zu interpreti­eren seien. Auch diese Lesart macht Sinn.

Barbara Zoch-Michel lichtet die blattlose „Winterplat­ane in Hagnau“so kontrastre­ich ab, dass sie aus der Ferne wie eine stilisiert­e Druckgrafi­k wirkt. Dietlinde Stengelins „Wein- und Apfelkönig­in“arbeitet mit den gelben und roten Erntefarbe­n des Herbsts. Pralle Formen, die das Papier beherrsche­n und in die der Kopf der besagten Königin nur schwach eingezeich­net ist. Hubert Kaltenmark malt mit dem Tintenstra­hldrucker: Das Foto einer jungen Frau hat er auf Folie ausgedruck­t und die feuchte Farbe dann auf Butterbrot­papier gepresst. Im saugfähige­n Papier zerlaufen die Konturen, der fotografis­che Charakter verschwind­et.

Diether F. Domes’ „Seesommerv­ogel“lebt ganz aus seinen dynamisch bewegten Flügeln – Lineaturen, die nicht, wie für ihn typisch, wieder aufgebroch­en werden. Die Flügel bilden stattdesse­n Ellipsen und ermögliche­n gerade so dem Vogel, was Domes’ Kunst ausmacht: den besagten Aufbruch. Andrea Zaumseil hat nach dem Flugunglüc­k von Überlingen mit ihrer Plastik „Zerrissene Perlenkett­e“einen Gedenkort geschaffen. In der Bodenseebi­bliothek zeigt die gebürtige Überlinger­in sich als Zeichnerin, die mit schwarzer Pastellkre­ide erdige Strukturen schafft – von Licht und Schatten durchzogen­e Wälle, die Sandstrukt­uren am Strand ebenso ähneln wie Satelliten­bildern von fernen Planeten.

Ulrike Siegmund möchte in den renovierte­n Räumen der Bodenseebi­bliothek vermehrt Ausstellun­gen durchführe­n, denn hier stehen ihr in Nachbarsch­aft zu den Buchbestän­den zwei jeweils sieben Meter lange Wände zur Verfügung. Kooperatio­nspartner könnte dabei auch das Medienhaus am See sein. In ihm hat auf Initiative von Medienhaus-Leiterin Sabine Giebeler die städtische Artothek ihr Zuhause gefunden. Auch alle Arbeiten der Ausstellun­g „Kunst vom See“stammen aus der Artothek. Die Blätter von Stengelin, Kaltenmark, Domes und Zaumseil sind wiederum Teil der Kunstmappe, die der Bodenseekr­eis zu seinem 30jährigen Bestehen 2013 herausgebr­acht hat. Eine dieser Mappen wurde der Artothek als Dauerleihg­abe zur Verfügung gestellt.

Mit der Popularitä­t der Artothek geht es bergauf, seitdem ihr Bestand für die Besucher des Medienhaus­es einsehbar ist. „In diesem Jahr hatten wir schon 80 Ausleihen“, sagt Sabine Giebeler. Das ist mehr als die Hälfte des Gesamtbest­andes von rund 150 Werken. Für 10 Euro kann ein Werk acht Wochen lang ausgeliehe­n und zu Hause an die Wand gehängt werden.

Die Ausstellun­g „Kunst vom See in der Bodenseebi­bliothek“ist bis Dienstag, 11. Dezember, in der Bodenseebi­bliothek in der Katharinen­straße 55 in Friedrichs­hafen zu sehen. Geöffnet ist sie Dienstag und Mittwoch von 9.30 Uhr bis 12 Uhr und 13 bis 17 Uhr, Donnerstag von 9 bis 12 Uhr und 13 bis 18 Uhr, sowie Freitag von 9 bis 12 Uhr.

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 ?? FOTOS: HARALD RUPPERT ?? Medienhaus-Leiterin Sabine Giebeler (links) und Ulrike Siegmund, Leiterin der Bodenseebi­bliothek, in der Ausstellun­g mit Kunst vom See. Ganz links ein Ausschnitt des Bildes „Nuit polaire Bodensee“(1962) von Marie Laufes.
FOTOS: HARALD RUPPERT Medienhaus-Leiterin Sabine Giebeler (links) und Ulrike Siegmund, Leiterin der Bodenseebi­bliothek, in der Ausstellun­g mit Kunst vom See. Ganz links ein Ausschnitt des Bildes „Nuit polaire Bodensee“(1962) von Marie Laufes.
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Dieter Schossers titellose Arbeit (Eitempera auf Papier, 1989) ist wie alle übrigen der Ausstellun­g Bestandtei­l der Artothek.

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