Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die Demokraten werden Trump ärgern
Nach den Zwischenwahlen kann der US-Präsident nicht mehr durchregieren
WASHINGTON - Nancy Pelosi steht an einem Rednerpult, doch bevor sie etwas sagt, führt sie ein Freudentänzchen auf, spontan und mädchenhaft ausgelassen. Es ist spät im Kapitol zu Washington, knapp eine halbe Stunde vor Mitternacht. Die 78 Jahre alte Politikerin hat zwei Enkelsöhne mitgebracht, einer reibt sich vor Müdigkeit die Augen. Ein wenig erinnert die Szene an die Wahlnacht des Novembers 2016, als Donald Trump seinen zehnjährigen Sohn Barron in einen New Yorker Hotelsaal schob, um mitten in der Nacht seinen Überraschungssieg über Hillary Clinton zu feiern.
„Speaker! Speaker!“, skandiert die Menge, an die sich Pelosi gleich wenden wird. Ob sie die Sprecherin wird, also die Chefin des Repräsentantenhauses, darüber muss ihre Partei noch entscheiden. Es gibt Stimmen, die halten die Veteranin aus Kalifornien erstens für zu alt und zweitens für zu sehr von der Westküste und zu wenig vom Rust Belt geprägt. Aber für Diskussionen ist jetzt nicht der Moment. Der Freudentanz verrät, wie viel Anspannung von dieser Frau gewichen ist. Die ausgelassene Nancy Pelosi – es ist die Szene des Abends. „Morgen bricht ein neuer Tag in Amerika an“, ruft sie. Bei dieser Wahl, sagt sie, sei es um mehr gegangen als um Demokraten oder Republikaner. Nämlich um die Wiederherstellung der „checks and balances“, um die Möglichkeit also, die Regierung Donald Trumps wirksam zu kontrollieren.
Zusammenarbeit angeboten
Trump hatte das Resultat da schon mit einem Tweet kommentiert, wie üblich voller Selbstsicherheit. „Gewaltiger Erfolg heute Abend“, schrieb er und bot der Oppositionspartei immerhin die Zusammenarbeit an. „Hoffentlich können wir alle im kommenden Jahr zusammenarbeiten“, sagte Trump am Mittwoch bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Er gratulierte Nancy Pelosi zur Mehrheit im Kongress.
Es ist, als wären an diesem 6. November zwei verschiedene Wahlen über die Bühne gegangen, und so stimmt es in gewisser Weise ja auch. Die Demokraten haben den Republikanern, nach acht Jahren in der Minorität, die Mehrheit im Abgeordnetenhaus abgenommen. Die Republikaner wiederum haben ihre Majorität im Senat nicht nur behauptet, sondern noch ausgebaut. Mike Allen, Gründer von Axios, einer für Washington-Insider unverzichtbaren Online-Plattform, bringt es kurz und knapp auf den Punkt. Die Midterms, doziert er, hätten einen gespaltenen Kongress produziert, symbolisch für die Spaltung des Landes.
Die Demokraten mussten netto 23 Mandate im Abgeordnetenhaus hinzugewinnen, um die Mehrheit zu bilden. Die Hürde haben sie relativ locker genommen, vor allem, weil die Frauen der Mittelschicht aufbegehrten gegen einen Präsidenten, für den sie sich schämen – wegen seiner Sprache, seiner Lügen, seiner Verharmlosung sexueller Übergriffe. Im prosperierenden Vorortmilieu der Großstädte verpassten sie Trump einen Denkzettel, indem sie sich trotz guter Wirtschaftslage von den Republikanern abwandten – ob in New York, New Jersey, Pennsylvania, Virginia, Illinois, Texas oder Kalifornien.
„The Year of the Woman“, lautet tags darauf eine oft wiederholte Medienschlagzeile. Wenn das Endergebnis feststeht, dürften mindestens 100 Frauen im Repräsentantenhaus mit seinen 435 Sitzen vertreten sein, darunter erstmals zwei Musliminnen, Rashida Tlaib aus Michigan und Ilhan Omar aus Minnesota. Im Repräsentantenhaus dürften die Demokraten Trump fortan das Leben schwer machen, sie haben nunmehr die Mittel dazu. Zu den Gewinnern gehört auch Robert Mueller, der Sonderermittler der Russlandaffäre. Trump hatte ihn mehrmals zu feuern gedroht, ob ernsthaft oder eher hoch pokernd, vermag kein Außenstehender zu beurteilen. Nun steht es in der Macht der Demokraten, Muellers Entlassung zu unterbinden.
Für drei Senatoren in den Reihen der Demokraten wurde es indes eine gallebittere Nacht. Claire McCaskill, 2007 mit der Euphorie um Barack Obama im Senat eingezogen, musste die ernüchternde Erfahrung machen, dass man im Trump-Land Missouri im Herbst 2018 noch immer auf verlorenem Posten steht, wenn Donald Trump seine Anhängerschaft im ländlichen Raum mobilisiert. McCaskills Rivale Josh Hawley gewann. In Indiana verlor Joe Donnelly, in North Dakota Heidi Heitkamp gegen republikanische Widersacher.
In Tennessee sah der einstige Gouverneur Phil Bredesen keinen Stich gegen Marsha Blackburn, eine der frühesten und treuesten Anhängerinnen Trumps.