Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Regisseur Serebrennikov beteuert Unschuld
MOSKAU (dpa) - Die Staatsmacht in Russland hält Gericht über Kirill Serebrennikov. „Ich habe nichts gestohlen“, sagte der Regisseur (49) am Mittwoch zu Beginn der Hauptverhandlung in dem Untreueprozess in Moskau. Mit ihm sind seine Ex-Mitarbeiter Alexej Malobrodski und Juri Itin angeklagt sowie Sofia Apfelbaum als frühere Beamtin des Kulturministeriums. Die Anklage wirft ihnen vor, bei einem Theaterprojekt 133 Millionen Rubel (ca. 1,7 Millionen Euro) staatlicher Zuschüsse unterschlagen zu haben.
Anderthalb Stunden rasselt ein nervöser junger Staatsanwalt die Anklageschrift herunter, spricht von „kriminellen Absprachen“. Gezeichnet wird das Bild einer Betrügerbande, die nur deshalb Theaterstücke aufgeführt habe, um Staatsgeld beiseitezuschaffen.
Dabei hatte das Projekt einmal allerhöchsten Segen. In seiner Zeit als Präsident wollte Dimitri Medwedew die moderne Seite Russlands zeigen. Serebrennikow schlug das Programm „Platforma“vor, das Theater, Tanz, Musik und Medien verbinden sollte. Die Aufführungen von 2011 bis 2014 waren ein Riesenerfolg beim hippen Moskauer Publikum.
Serebrennikov gründete eine Produktionsfirma namens „Siebtes Studio“– auf Vorschlag des Kulturministeriums, wie er vor Gericht sagt. „Ich wusste, dass staatliches Geld bei uns einging“, erklärt der Künstler. Reingeritten hat ihn die gängige Praxis an russischen Theatern, dass viele Gagen und Auslagen bar bezahlt werden. Chefbuchhalterin Nina Masljajewa wandelte das Buchgeld aus dem Ministerium bei Firmen gegen Kommission in Bargeld um. Diese Barsummen hält die Staatsanwaltschaft für unterschlagen, obwohl alle Schauspieler und Tänzer entlohnt worden sind und nie eine Aufführung ausgefallen ist.
Doch es hapert an der Dokumentation. Chefproduzentin Jekaterina Woronowa hat nach Abschluss von „Platforma“die Unterlagen vernichtet, wie sie in dem Film Katerina Gordejewa sagt. Woronowa ist im Ausland, wird mit Moskauer Haftbefehl gesucht. Buchhalterin Masljajewa arbeitet als Belastungszeugin mit den Ermittlern zusammen.
Trotz des Hausarrests arbeitet Serebrennikov weiter. Die Staatsoper Stuttgart brachte 2017 „Hänsel und Gretel“auf die Bühne, auch wenn er die Inszenierung nicht fertigstellen konnte. Heute läuft sein Film „Leto“an. Für Zürich hat er aus dem Arrest heraus mithilfe von Videobotschaften die Mozart-Oper „Così fan tutte“inszeniert.