Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schmetterl­inge im Sinkflug

Immer weniger Insekten - Naturschüt­zer suchen Ursache bei Landwirtsc­haft

- Von Christoph Driessen

BONN (dpa) - Untersuchu­ngen in einigen Regionen Deutschlan­ds belegen einen immensen Insektensc­hwund in den vergangene­n Jahrzehnte­n. Detailanal­ysen zeigen nun, welche Arten besonders im Sinkflug sind. „Es ist ein Rückgang, der sich durch ganz unterschie­dliche Gruppen zieht“, sagte die Präsidenti­n des Bundesamte­s für Naturschut­z, Beate Jessel, in Bonn.

So seien 96 Prozent der Köcherflie­genarten rückläufig. Bei Wildbienen nähmen die Bestände bei 52 Prozent aller Arten ab. „Auch bei den Laufkäfern und bei den Ameisen haben wir sehr hohe Gefährdung­sgrade und Rückgänge zu verzeichne­n.“Neben vielen Verlierern gebe es auch einige Gewinner wie bestimmte Libellenar­ten. Sie profitiert­en möglicherw­eise von der Renaturier­ung von Gewässern oder auch vom Klimawande­l. Die Verlierera­rten seien allerdings deutlich in der Überzahl.

Der Entomologi­sche Verein Krefeld (EVK), der seit 1989 Insektenbe­stände misst, hatte bereits zuvor ermittelt, dass die Gesamtmass­e flugfähige­r Insekten an untersucht­en Standorten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Brandenbur­g in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n im Mittel um mehr als 75 Prozent abgenommen hat. Es sei vor allem dieser massive Rückgang der gesamten Biomasse, der beunruhige, sagte EVK-Vorstandsm­itglied Martin Sorg in Bonn. Denn: „Ein normales terrestris­ches Biotop ist ohne Insekten undenkbar.“

Gegen Pestizide

Der Insektenrü­ckgang habe viele Ursachen, die ineinander griffen. Hauptverur­sacher sei aber die intensive Landwirtsc­haft. „Wir brauchen dringend eine Wende in der Agrarpolit­ik hin zu einer naturvertr­äglicheren Landwirtsc­haft“, forderte Jessel.

Auch Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze mahnte einen Wandel beim Umgang mit Pestiziden an. „Die intensive Landwirtsc­haft ist hauptveran­twortlich für den dramatisch­en Rückgang im Bestand von Bienen, Fliegen, Käfern, Schmetterl­ingen“, sagte die SPD-Politikeri­n der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der natürliche Lebensraum der Insekten schwinde „beängstige­nd schnell“.

Als eine weitere Ursache für den Insektenrü­ckgang nannte Jessel Lichtversc­hmutzung. „Schon eine einzige Straßenlam­pe in der Nähe eines Gewässers entfaltet einen sogenannte­n Staubsauge­reffekt.“Sie ziehe in einer Nacht so viele Köcherflie­gen an, wie in einem Gewässerst­reifen von 200 Metern Breite schlüpften. Die Tiere schwirren dann um die Lichtquell­e herum, bis sie schließlic­h erschöpft zu Boden fallen oder zur leichten Beute für Fledermäus­e werden.

Insekten gelten als „Dienstleis­ter am Ökosystem“, denn sie bestäuben Obstbäume und Gemüsepfla­nzen, zersetzen Aas, Totholz und Kot. Außerdem sind sie eine Nahrungsqu­elle vieler anderer Tiere, etwa von Vögeln. Auch deren Zahl hat in den vergangene­n Jahren stark abgenommen.

 ?? FOTO: DPA ?? Es gibt immer weniger Insekten: Hier ein Kleiner Fuchs (links) und ein Admiral.
FOTO: DPA Es gibt immer weniger Insekten: Hier ein Kleiner Fuchs (links) und ein Admiral.

Newspapers in German

Newspapers from Germany