Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Jeder Fotograf hat seine eigene Weltsicht
Leiter der VHS-Fotokurse geben mit einer Ausstellung Einblick in ihr Schaffen
FRIEDRICHSHAFEN - Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Aber nur, wenn es keinen Titel trägt, denn der erstickt die inhaltliche Offenheit des Bildes und nimmt ihm alle Deutungsmöglichkeiten. Auf diesen Nenner bringt es der Fotokünstler Kees Tillema in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Einblicke“in der VHS Friedrichshafen. In ihr zeigen die Dozenten des VHS-Forums Fotografie eine Auswahl ihres Schaffens: Christoph Maria Frisch, Thomas Pfleiderer, Christian Steiauf, Axel Kottal und Ralf Schäfer.
Die Ausstellung richtet sich auch an Freizeitfotografen, die ihre eigenen Fähigkeiten an der VHS weiterentwickeln und zuvor den Ansatz der Dozenten kennenlernen wollen.„Fotografieren entwickelt die Persönlichkeit. Fotografen achten auf Dinge, die Nichtfotografen gar nicht sehen“, weiß Kees Tillema, der in der Lände Kressbronn den Fachbereich Fotografie betreut. Frisch betont in seiner Begrüßung, dass die VHS den Foto-Bereich ausgebaut habe. So finden Exkursionen in motivträchtige Zielorte in der Region statt. Außerdem stellt die Vortragsreihe „Sprechen über Fotografie“klassische Meisterfotografen vor.
In der Ausstellung besticht Axel Kottal mit Naturaufnahmen, denen man das Lauern auf den idealen Augenblick nicht anmerkt. Aus einer Wiese ragen die Löffel eines Hasen, als schwarze Kontur röhrt ein Hirsch vor dem Hintergrund des riesigen Mondes, auf dem jeder Krater sichtbar wird, oder ein Schwarm Möwen flattert über eine Wasseroberfläche – wobei die vielen Flügelpaare durch die Langzeitbelichtung verschwimmen und einen Schleier bilden, der wie Dunst auf dem Wasser liegt.
Thomas Pfleiderer balanciert zwischen Romantik und Witz, wenn er eine Frau, nackt wie ein Reh, durch blattloses Dickicht gehen lässt. In den Fetischbereich spielt sein Porträt eines Pärchens mit Kette, Stachelhalsband und Gasmaske. Surreal wirkt die Aufnahme eines Paares in Abendgarderobe und „Rüsselgasmasken“, das auf freiem Feld auf einem Sofa posiert, vor einem umwölkten Hochspannungsmasten.
Surreal auch eine Aufnahme aus Ralf Schäfers Serie „Rote Schuhe“: da gießt ein übernächtigt wirkender Mann auf einer Toilette aus einer Flasche Wasser in einen roten Stöckelschuh und dreht sein Gesicht dabei zur hinterrücks postierten Kamera. Tillema erinnert dieses Bild an den Einfallsreichtum eines Philippe Halsman. Der lichtete einst Salvador Dalí ab – mit spritzenden Wassereimern und fliegenden Katzen. Symbolträchtig fotografiert Schäfer aber auch die Häfler Studentengruppe „Blaue Blume“– inmitten eines blauen, in Obstkisten gepackten Blumenmeers. Schließlich ist da ein aus dem Moment geborenes Gruppenbild in einer urtümlichen Fels- und Flusslandschaft. Der eine schlägt erschreckt nach einer Steckmücke, der Zweite schaut versonnen ins Wasser, die Dritten filmen abgeklärt die Landschaft. Manchmal schreibt der Augenblick die besten Szenen.
Christoph Maria Frisch überzeugt mit oft rätselhaften Makroaufnahmen, die die Welt alltäglicher Dinge völlig entrücken. Dadurch bestimmen Formen, Farben und Strukturen das Bild, die inhaltlich nicht mehr zugeordnet werden können. Frisch überrascht aber auch mit urbanen Schwarzweißaufnahmen: Die Kontur eines Frauenbeins trifft auf den Sockel einer Laterne; das wirkt wie aus dem Handgelenk fotografiert und gewinnt seine Wirkung aus dem – vermeintlich – Zufälligen. Auch der Kontrast von Natur zu Architektur durchzieht die Bilder: verwetterter Gebirgsfels trifft auf die vertikale rote Fassade einer Bergbahnstation.
Christian Steiauf arbeitet mit dem Handy im Quadratformat – in toller Bildqualität. Wie riesenhafte Bäume wachsen aus der Froschperspektive gesehene Wolkenkratzer ins Bild, das Berliner Holocaust-Mahnmahl wird zum Licht- und SchattenwurfObjekt und die Kuppel des Bundestags gleicht dem Blick durch einen Blütenkelch. Angeschnittene Motive verraten die Schnelligkeit seines Arbeitens und geben den Aufnahmen ihre Originalität.
Die Ausstellung „Einblicke“ist bis 21. Dezember in der VHS Friedrichshafen zu sehen.