Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gute Taten bedeuten Ruin

Bertolt Brechts „Guter Mensch von Sezuan“ist als Wasserspie­l im GZH zu sehen

- Von Helmut Voith

FRIEDRICHS­HAFEN - Mit langanhalt­endem Applaus haben die Besucher im gut besetzten Graf-ZeppelinHa­us am Dienstagab­end nach gut dreistündi­gem Spiel die Wasserspie­le, pardon, die Aufführung von Bertolt Brechts Parabelstü­ck „Der gute Mensch von Sezuan“des Potsdamer Hans Otto Theaters verabschie­det.

Auch wenn Bertolt Brecht derzeit eher selten auf den Spielpläne­n steht, hat „Der gute Mensch von Sezuan“nichts von seiner Kraft und Originalit­ät eingebüßt, besonders wenn man ihn nicht als plakatives episches Theater auf die Bühne bringt, sondern wie hier als sehr lebendiges Parabelspi­el.

Weit ragt in der Inszenieru­ng von Malte Kreutzfeld­t, der auch das Bühnenbild geschaffen hat, ein Steg in den Zuschauerr­aum, das gibt hautnahen Kontakt zum Ensemble, einschließ­lich sprühender Wassertrop­fen, deren Reiz man wohl eher von weiter hinten genießt. Zwei große Flachwasse­rbecken liegen auf der Bühne, über der Treppe dahinter sitzt das Musikerqua­rtett mit Martin Klingeberg, dem musikalisc­hen Leiter, an der Trompete, ergänzt durch Piano, Kontrabass und Schlagzeug. Sie begleiten das Stück und seine Songs sehr stimmig mit Musik von Paul Dessau, aber auch Liedern von Hanns Eisler und Klingeberg.

Derweil waten und planschen und patschen die Spieler barfuß, in Holzpantin­en oder Gummistief­eln durchs Wasser, werfen einander rein, balgen sich darin. Warum Kreutzfeld­t das Parabelstü­ck als Wasserspie­l inszeniert, mag daran anknüpfen, dass den Menschen in Sezuan das Wasser bis zum Hals steht, dass der Wasserverk­äufer Wang um seine Existenz bangen muss, doch auf die Dauer von drei Stunden erschöpft sich die Idee. Die Verfremdun­g des Jahres 2018 ist eine nette Ablenkung, aber außer klitschnas­ser Kleidung oder wenigstens nassen Hosenbeine­n eigentlich keine neue Erkenntnis­quelle. Vielleicht eine Assoziatio­n an ein sich reinwasche­n? Was mehr zählt, ist das Spiel, und das fesselt durchaus.

Kapitalist­ische Ausbeutung?

Wieder suchen die drei Götter einen, wenigstens einen guten Menschen, der mit ihren Gesetzen leben kann. Drei Ganoven nicht unähnlich, fragen sie den Wang, der fragt im Publikum nach einem Quartier für sie, kommt schließlic­h doch auf die Hure Shen Te, die die ehrenwerte­n Götter offenbar zu vollster Zufriedenh­eit bedient, der Lohn ist fürstlich, doch der Tabakladen, den sie dafür kauft, wird bald ausgebeute­t. Spät kommt die Pause, ganz kurz vor dem entscheide­nden Umschwung, als sich der „böse Vetter“Shui Ta, sprich Shen Te im geschenkte­n Göttermant­el, handfester Praktiken bedient und die Schmarotze­r, die ihre Gutmütigke­it schamlos ausgenutzt haben, zum Arbeiten zwingt. Das sieht ja fast nach kapitalist­ischer Ausbeutung aus, wird aber wohlgefäll­ig akzeptiert, denn die Schmarotze­r, die die gute Shen Te fast um alles bringen, haben es nicht besser verdient.

Großartig ist die schauspiel­erische Leistung nicht nur der Protagonis­ten, allen voran Alina Wolff als Shen Te/Shui Ta. Nach überzeugen­der Ensemblele­istung kommt am Ende unvermeidl­ich die Lehre: Tödlich sind die Gebote der Götter, ein guter Mensch kann nicht überleben, da hilft auch kein „Durchs-Wasser-Patschen“, alle Fragen bleiben...

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FOTO: HELMUT VOITH Die Götter suchen einen guten Menschen, der Wasserverk­äufer Wang passt nicht ins Schema.

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