Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bei den Ravensburg Towerstars passt alles
Zwischenbilanz des DEL2-Tabellenführers zur Länderspielpause fällt sehr positiv aus
RAVENSBURG - Die Ravensburg Towerstars führen seit Wochen die Tabelle der Deutschen Eishockey-Liga 2 an – und das, obwohl sie zwei Spiele weniger als die direkte Konkurrenz absolviert haben. In die Länderspielpause durften sich Trainer Jiri Ehrenberger und die Spieler um Kapitän Vincenz Mayer deshalb äußerst zufrieden und zuversichtlich verabschieden. Was aber macht die Towerstars in dieser Saison so stark, nachdem die vergangenen zwei Spielzeiten (jeweils Schluss in den Pre-Play-offs) alles andere als gut verliefen? Ein Überblick.
Kader:
Eigentlich hatten die Ravensburg Towerstars nicht vor, viele personelle Änderungen im Vergleich zur Vorsaison vorzunehmen. Doch es kam anders. In Arturs Kruminsch, Brian Roloff und Adam Lapsansky verließen drei wichtige Spieler den Verein – teilweise überraschend. Doch die Towerstars-Verantwortlichen um Geschäftsführer Rainer Schan bewahrten kühlen Kopf und waren auf dem Transfermarkt sehr erfolgreich. Auch auf den Ausfall von Publikumsliebling Stephan Vogt reagierten sie mit einem Kracher, vom SC Riessersee kam Andreas Driendl. Schließlich wurde auch die Verletzung Jakub Svobodas kompensiert, indem Ilkka Pikkarainen nach Oberschwaben gelockt wurde. „Die Verpflichtung von Driendl und Pikkarainen waren die letzten beiden Mosaiksteine, zwei Sahnehäubchen“, freut sich Schan über das „glückliche Händchen“, das die Towerstars auf dem Transfermarkt hatten.
Zugänge:
Verteidiger Pawel Dronia sowie die Stürmer Olivier Hinse, Tim Brunnhuber, Thomas Merl, Robbie Czarnik, Pikkarainen und Driendl – sie alle haben das Towerstars-Spiel massiv belebt. Dronia – ihn wollte Trainer Ehrenberger unbedingt haben – zählt zu den besten Verteidigern der Liga. Neben Daniel Pfaffengut und Ondrej Pozivil hat er die beste +/-Statistik der Liga (+13). Hinse hat nach anfänglicher Ladehemmung zuletzt fünf Tore erzielt. Brunnhuber spielt mit seinen 19 Jahren gleichzeitig unbekümmert und scheinbar erfahren wie ein DEL-Profi mit 600 Einsätzen. Merl schießt sich auch in der dritten Reihe mit acht Toren und sieben Vorlagen in die Herzen der Fans, Czarnik beeindruckt mit seiner Leidenschaft und Schnelligkeit und acht Toren, Pikkarainen lehrt nahezu jeder gegnerischen Defensive allein durch seine Präsenz das Fürchten. Driendl hat sich längst den Goldhelm des besten Scorers geschnappt und denkt nicht daran, ihn herzugeben. Fazit: Alle Verpflichtungen waren bisher Volltreffer. „Wir sind ein Team, eine Einheit. Das strahlt die Mannschaft auf und neben dem Eis aus“, sagt Schan.
Offensive:
Den Goldhelm streitig machen könnte dem zuverlässigen Ex-Riesserseer Driendl allenfalls wohl der extrem formstarke Mathieu Pompei. Wie der Kanadier sich bisher präsentiert, ist eine wahre Freude. Jüngstes Beispiel: Das 3:1 per Rückhand gegen den Deggendorfer SC war ein Treffer zum Zungeschnalzen. Pompeis 19 Scorerpunkten steht David Zucker mit 17 fast in nichts nach. Auch bei Zucker läuft im Moment viel zusammen, ganz hilfreich ist auch, dass er nicht mehr dazu neigt, regelmäßig die Kühlbox anzufahren, um eine Strafe abzusitzen. Grundsätzlich gilt: 79 Treffer nach 15 Partien sind unübertroffen.
Defensive:
Nach dem von einigen Misstönen begleiteten Abgang des „ewigen Towerstars“Lukas Slavetinsky tat sich vermeintlich eine riesige Lücke in der Verteidigung auf. 40 Gegentore in 15 Spielen sind bisher aber Ligabestwert – was auch an den starken Goalies Jonas Langmann (zweitbester Torhüter der Liga mit 92,22 Prozent Fangquote) und Michael Boehm (bisher zweieinhalb Spiele lang eingesetzt) liegt. Nach Slavetinskys Abgang hat sich zudem in Ondrej Pozivil und dem erst knapp 21-jährigen Maximilian Kolb eine starke erste defensive Reihe gebildet. Auch die anderen Konstellationen können sich sehen lassen.
Trainer:
Ehrenberger ist in seinem zweiten Jahr in Ravensburg allein für die Mannschaft verantwortlich. Nachdem Co-Trainer Christopher Oravec nach der vergangenen Saison aus persönlichen Gründen aufgehört hat, verzichtete Ehrenberger auf eine helfende Hände an seiner Seite. Dafür wurde etwa der Athletikbereich neu aufgestellt. „Gerade die Leute im Hintergrund machen einen super Job“, lobt Schan die Mannschaft hinter der Mannschaft. „Wir waren auf den Punkt topfit“, erinnert er sich gern an den furiosen Saisonstart gegen Dresden, dem weitere furiose Auftritte folgten.
Wenige Verletzungen:
Stephan Vogt und Jakub Svoboda – mehr Verletzte gibt es bisher nicht zu vermelden. Das sah vor einem Jahr ganz anders aus. Da mussten die Towerstars früh in der Saison improvisieren und mussten zeitweise froh sein, überhaupt auch nur drei Reihen zusammenzubekommen. Vogt, der schon weit mehr als ein Jahr fehlt, und Svoboda sind wieder im Aufbautraining. Nur Kilian Keller und Olivier Hinse haben jeweils zwei Spiele aussetzen müssen. „Das ist der größte Unterschied zu letzter Saison. Da hatten wir schon bis zur Länderspielpause viele Ausfälle“, sagt Ehrenberger.
Heimstärke:
Sieben Spiele, nur ein Punkt abgegeben – das ist eine herausragende Bilanz in der Ravensburger Eissporthalle. Nur gegen die Heilbronner Falken ging es in die Verlängerung. Die Towerstars-Fans haben begeisternde Auftritte erlebt: 8:1 gegen die Dresdner Eislöwen, 9:2 gegen die Lausitzer Füchse, ein hochklassiges 4:3 gegen den ESV Kaufbeuren. Der Zuschauerschnitt kann sich zudem mit 2864 absolut sehen lassen – gegen Kaufbeuren war sogar ausverkauft. Nach den HessenHochburgen Frankfurt (4435) und Kassel (3260) hat Ravensburg den drittbesten Zuspruch in der DEL2.
Spielsystem:
Ehrenbergers offensiver, kraftvoller Spielstil wird in seinem zweiten Jahr in Ravensburg von der Mannschaft voll und ganz angenommen. Seine stoische Art mag zwar hin und wieder eindimensional wirken, auf die Einstellung seiner Spieler hat sie aber wohl genau den richtigen Einfluss. Der Gesichtsausdruck darf deshalb gerne weiter so unbewegt bleiben, wenn denn die guten Leistungen andauern.
Überzahl/Unterzahl:
Vor allem in Unterzahl funktionieren die sogenannten Specialteams bestens – nur acht Gegentore in 15 Spielen sind absoluter Ligabestwert, das PenaltyKilling liegt bei knapp 90 Prozent. In Überzahl haben die Towerstars 19 Treffer erzielt, was den sechstbesten Wert bedeutet. Bei beiden Statistiken ist zu beachten, dass Ravensburg ein bis zwei Spiele weniger als die gesamte Konkurrenz absolviert hat.
Kooperation:
Von den Fans kritisch beäugt wird die Kooperation mit DEL-Club Schwenningen. Ausgerechnet die Wild Wings! Der Erzrivale! Allein das Duell um die DEL2Meisterschaft 2011 reichte für eine Dauerfehde. Sportlich jedoch ist die Zusammenarbeit nachvollziehbar. Vor allem aus Towerstars-Sicht. Denn die Kooperation funktioniert von unten nach oben. Daniel Pfaffengut, Daniel Schwamberger, Michael Boehm und Maximilian Kolb durften schon DEL-Luft schnuppern.
Kleine Schwachstelle:
In einer bisher nahezu perfekt funktionierenden Mannschaft sticht heraus, wenn jemand wie Kilian Keller noch kein Tor erzielt hat – als Einziger im Towerstars-Trikot. Dazu kommen zwei Vorlagen. Um Sticheleien seiner Kollegen vorzubeugen, sollte Keller treffen. Aber allein in der Hauptrunde gibt es ja schließlich noch 37 Partien.