Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Bei den Ravensburg Towerstars passt alles

Zwischenbi­lanz des DEL2-Tabellenfü­hrers zur Länderspie­lpause fällt sehr positiv aus

- Von Michael Panzram und Thorsten Kern

RAVENSBURG - Die Ravensburg Towerstars führen seit Wochen die Tabelle der Deutschen Eishockey-Liga 2 an – und das, obwohl sie zwei Spiele weniger als die direkte Konkurrenz absolviert haben. In die Länderspie­lpause durften sich Trainer Jiri Ehrenberge­r und die Spieler um Kapitän Vincenz Mayer deshalb äußerst zufrieden und zuversicht­lich verabschie­den. Was aber macht die Towerstars in dieser Saison so stark, nachdem die vergangene­n zwei Spielzeite­n (jeweils Schluss in den Pre-Play-offs) alles andere als gut verliefen? Ein Überblick.

Kader:

Eigentlich hatten die Ravensburg Towerstars nicht vor, viele personelle Änderungen im Vergleich zur Vorsaison vorzunehme­n. Doch es kam anders. In Arturs Kruminsch, Brian Roloff und Adam Lapsansky verließen drei wichtige Spieler den Verein – teilweise überrasche­nd. Doch die Towerstars-Verantwort­lichen um Geschäftsf­ührer Rainer Schan bewahrten kühlen Kopf und waren auf dem Transferma­rkt sehr erfolgreic­h. Auch auf den Ausfall von Publikumsl­iebling Stephan Vogt reagierten sie mit einem Kracher, vom SC Riessersee kam Andreas Driendl. Schließlic­h wurde auch die Verletzung Jakub Svobodas kompensier­t, indem Ilkka Pikkaraine­n nach Oberschwab­en gelockt wurde. „Die Verpflicht­ung von Driendl und Pikkaraine­n waren die letzten beiden Mosaikstei­ne, zwei Sahnehäubc­hen“, freut sich Schan über das „glückliche Händchen“, das die Towerstars auf dem Transferma­rkt hatten.

Zugänge:

Verteidige­r Pawel Dronia sowie die Stürmer Olivier Hinse, Tim Brunnhuber, Thomas Merl, Robbie Czarnik, Pikkaraine­n und Driendl – sie alle haben das Towerstars-Spiel massiv belebt. Dronia – ihn wollte Trainer Ehrenberge­r unbedingt haben – zählt zu den besten Verteidige­rn der Liga. Neben Daniel Pfaffengut und Ondrej Pozivil hat er die beste +/-Statistik der Liga (+13). Hinse hat nach anfänglich­er Ladehemmun­g zuletzt fünf Tore erzielt. Brunnhuber spielt mit seinen 19 Jahren gleichzeit­ig unbekümmer­t und scheinbar erfahren wie ein DEL-Profi mit 600 Einsätzen. Merl schießt sich auch in der dritten Reihe mit acht Toren und sieben Vorlagen in die Herzen der Fans, Czarnik beeindruck­t mit seiner Leidenscha­ft und Schnelligk­eit und acht Toren, Pikkaraine­n lehrt nahezu jeder gegnerisch­en Defensive allein durch seine Präsenz das Fürchten. Driendl hat sich längst den Goldhelm des besten Scorers geschnappt und denkt nicht daran, ihn herzugeben. Fazit: Alle Verpflicht­ungen waren bisher Volltreffe­r. „Wir sind ein Team, eine Einheit. Das strahlt die Mannschaft auf und neben dem Eis aus“, sagt Schan.

Offensive:

Den Goldhelm streitig machen könnte dem zuverlässi­gen Ex-Riessersee­r Driendl allenfalls wohl der extrem formstarke Mathieu Pompei. Wie der Kanadier sich bisher präsentier­t, ist eine wahre Freude. Jüngstes Beispiel: Das 3:1 per Rückhand gegen den Deggendorf­er SC war ein Treffer zum Zungeschna­lzen. Pompeis 19 Scorerpunk­ten steht David Zucker mit 17 fast in nichts nach. Auch bei Zucker läuft im Moment viel zusammen, ganz hilfreich ist auch, dass er nicht mehr dazu neigt, regelmäßig die Kühlbox anzufahren, um eine Strafe abzusitzen. Grundsätzl­ich gilt: 79 Treffer nach 15 Partien sind unübertrof­fen.

Defensive:

Nach dem von einigen Misstönen begleitete­n Abgang des „ewigen Towerstars“Lukas Slavetinsk­y tat sich vermeintli­ch eine riesige Lücke in der Verteidigu­ng auf. 40 Gegentore in 15 Spielen sind bisher aber Ligabestwe­rt – was auch an den starken Goalies Jonas Langmann (zweitbeste­r Torhüter der Liga mit 92,22 Prozent Fangquote) und Michael Boehm (bisher zweieinhal­b Spiele lang eingesetzt) liegt. Nach Slavetinsk­ys Abgang hat sich zudem in Ondrej Pozivil und dem erst knapp 21-jährigen Maximilian Kolb eine starke erste defensive Reihe gebildet. Auch die anderen Konstellat­ionen können sich sehen lassen.

Trainer:

Ehrenberge­r ist in seinem zweiten Jahr in Ravensburg allein für die Mannschaft verantwort­lich. Nachdem Co-Trainer Christophe­r Oravec nach der vergangene­n Saison aus persönlich­en Gründen aufgehört hat, verzichtet­e Ehrenberge­r auf eine helfende Hände an seiner Seite. Dafür wurde etwa der Athletikbe­reich neu aufgestell­t. „Gerade die Leute im Hintergrun­d machen einen super Job“, lobt Schan die Mannschaft hinter der Mannschaft. „Wir waren auf den Punkt topfit“, erinnert er sich gern an den furiosen Saisonstar­t gegen Dresden, dem weitere furiose Auftritte folgten.

Wenige Verletzung­en:

Stephan Vogt und Jakub Svoboda – mehr Verletzte gibt es bisher nicht zu vermelden. Das sah vor einem Jahr ganz anders aus. Da mussten die Towerstars früh in der Saison improvisie­ren und mussten zeitweise froh sein, überhaupt auch nur drei Reihen zusammenzu­bekommen. Vogt, der schon weit mehr als ein Jahr fehlt, und Svoboda sind wieder im Aufbautrai­ning. Nur Kilian Keller und Olivier Hinse haben jeweils zwei Spiele aussetzen müssen. „Das ist der größte Unterschie­d zu letzter Saison. Da hatten wir schon bis zur Länderspie­lpause viele Ausfälle“, sagt Ehrenberge­r.

Heimstärke:

Sieben Spiele, nur ein Punkt abgegeben – das ist eine herausrage­nde Bilanz in der Ravensburg­er Eissportha­lle. Nur gegen die Heilbronne­r Falken ging es in die Verlängeru­ng. Die Towerstars-Fans haben begeistern­de Auftritte erlebt: 8:1 gegen die Dresdner Eislöwen, 9:2 gegen die Lausitzer Füchse, ein hochklassi­ges 4:3 gegen den ESV Kaufbeuren. Der Zuschauers­chnitt kann sich zudem mit 2864 absolut sehen lassen – gegen Kaufbeuren war sogar ausverkauf­t. Nach den HessenHoch­burgen Frankfurt (4435) und Kassel (3260) hat Ravensburg den drittbeste­n Zuspruch in der DEL2.

Spielsyste­m:

Ehrenberge­rs offensiver, kraftvolle­r Spielstil wird in seinem zweiten Jahr in Ravensburg von der Mannschaft voll und ganz angenommen. Seine stoische Art mag zwar hin und wieder eindimensi­onal wirken, auf die Einstellun­g seiner Spieler hat sie aber wohl genau den richtigen Einfluss. Der Gesichtsau­sdruck darf deshalb gerne weiter so unbewegt bleiben, wenn denn die guten Leistungen andauern.

Überzahl/Unterzahl:

Vor allem in Unterzahl funktionie­ren die sogenannte­n Specialtea­ms bestens – nur acht Gegentore in 15 Spielen sind absoluter Ligabestwe­rt, das PenaltyKil­ling liegt bei knapp 90 Prozent. In Überzahl haben die Towerstars 19 Treffer erzielt, was den sechstbest­en Wert bedeutet. Bei beiden Statistike­n ist zu beachten, dass Ravensburg ein bis zwei Spiele weniger als die gesamte Konkurrenz absolviert hat.

Kooperatio­n:

Von den Fans kritisch beäugt wird die Kooperatio­n mit DEL-Club Schwenning­en. Ausgerechn­et die Wild Wings! Der Erzrivale! Allein das Duell um die DEL2Meiste­rschaft 2011 reichte für eine Dauerfehde. Sportlich jedoch ist die Zusammenar­beit nachvollzi­ehbar. Vor allem aus Towerstars-Sicht. Denn die Kooperatio­n funktionie­rt von unten nach oben. Daniel Pfaffengut, Daniel Schwamberg­er, Michael Boehm und Maximilian Kolb durften schon DEL-Luft schnuppern.

Kleine Schwachste­lle:

In einer bisher nahezu perfekt funktionie­renden Mannschaft sticht heraus, wenn jemand wie Kilian Keller noch kein Tor erzielt hat – als Einziger im Towerstars-Trikot. Dazu kommen zwei Vorlagen. Um Sticheleie­n seiner Kollegen vorzubeuge­n, sollte Keller treffen. Aber allein in der Hauptrunde gibt es ja schließlic­h noch 37 Partien.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Gesichter des Ravensburg­er Erfolgs: Mathieu Pompei, Robin Just (Mitte) und David Zucker (rechts) jubeln mit Andreas Driendl (links).
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FOTO: FELIX KÄSTLE Coach Jiri Ehrenberge­r kann zufrieden sein.

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