Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Dem Wald geht es schlecht
Hitze, Stürme und Borkenkäfer setzen den Bäumen im Bodenseekreis zu – Die Forstwirtschaft sucht Lösungen
Hitze, Stürme und Borkenkäfer machen den Bäumen zu schaffen.
FRIEDRICHSHAFEN - 2018 war kein gutes Jahr für die Wälder im Bodenseekreis. Der trockene Sommer, Unwetter und ein starker Borkenkäferbefall haben vielen Bäumen geschadet. Experten überlegen nun, wie Wälder widerstandsfähiger gemacht werden können. Zur Debatte steht ein Baum, der vor Kurzem noch einen schlechten Ruf hatte.
In jedem Fall müssen Lösungen gefunden werden, denn die Lage ist ernst: „Im Stadtwald Friedrichshafen haben wir bis Ende Oktober 450 Festmeter Sturmholz und rund 2100 Festmeter Borkenkäfer- und Dürrholz erfasst“, sagt Michael Strütt, Leiter des Forstamts Bodenseekreis. Das sind 89 Prozent des gefällten Holzes.
Auch Brigitte Wallkam vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Friedrichshafen sagt, dass viele Bäume unter dem wechselhaften Wetter gelitten haben. Zu sehen sei dies am Laubabwurf und an der Braunfärbung der Blätter im Sommer.
Im Seewald und den Waldgebieten nördlich des Messegeländes sind laut Strütt ebenfalls Schäden erkennbar. Schuld daran ist vor allem der Borkenkäfer, dessen Larven sich durch die saftführenden Rindenschichten des Baumes fressen. So unterbrechen sie den Saftstrom zwischen Wurzeln und Krone. Die Folge: Der Baum „verhungert“, weil er keine Nährstoffe mehr aus dem Boden ziehen kann.
Strütt zufolge haben sich die Bestände des Borkenkäfers durch das warm-trockene Wetter, das seit
April dieses Jahres geherrscht hat, stark vermehrt. In den heißen Regionen seien bis zu drei Käfergenerationen geschlüpft.
Das Fatale daran: Die Borkenkäferspuren seien erst ab Mitte August deutlich sichtbar geworden. Ab Mitte September zeigten sich laut Strütt darüber hinaus besonders an Fichten und Tannen Dürreschäden. Begonnen hat die „Katastrophe für Förster“laut dem Forstamtsleiter jedoch schon im Januar. Orkantiefs wie „Burglind“hätten Schäden verursacht, die deutlich unterschätzt worden seien. In Friedrichshafen habe vor allem das Distrikt Kappelberg östlich von Raderach Sturmschäden erlitten.
In den gesamten Wäldern im Bodenseekreis, die das Forstamt betreut, liegt der Schadholzanteil bei 63 Prozent – Tendenz steigend. Laut Strütt stellt der hohe Anteil an Baumschädigungen vor allem eine ökonomische Katastrophe dar. Vor allem durch das Überangebot an Schadholz bei Fichten – einem wirtschaftlich wichtigen Baum – habe es bereits Umsatzeinbußen von bis zu 30 Prozent gegeben.
Wahrscheinlich wird die Fichte, ebenso wie die Kiefer, zu den Verlierern der momentan vonstatten gehenden Erwärmung zählen, sagt Strütt. Dass hinter dieser der Klimawandel steht, halten laut BUND viele Wissenschaftler für gesichert.
„Allerdings kann man nicht einen einzigen Sommer als Beweis für oder gegen eine Klimaerwärmung nehmen“, betont Brigitte Wallkam. „Das ist wissenschaftlich nicht seriös. Aber wenn die Wissenschaftler Recht haben mit ihren Berechnungen, wird es in Zukunft mehr solcher Sommer geben.“Eine Folge davon könnte, so Michael Strütt, eine zunehmende Artenverschiebung hin zu Laubbäumen sein. Weiterhin könnten neue Tiere und Pflanzen in die Bodenseeregion vordringen: Mit der Tigermücke gibt es bereits eine sogenannte invasive Art aus subtropischen Gefilden. „Andere Tier- und auch Pflanzenarten, die an Kälte angepasst sind – zum Beispiel solche aus der Alpenregion – werden hier mit der Zeit verschwinden oder eventuell sogar weltweit aussterben“, sagt Wallkam. Welche Arten das genau sein werden, wisse jedoch vermutlich noch niemand im Detail.
Forstwirtschaft denkt um
Sicher ist für den BUND: Die Forstwirtschaft muss auf die veränderten Umweltbedingungen reagieren, indem sie beispielsweise mehr Baumarten pflanzt, die Hitze besser ertragen können.
Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) testet bereits, welche Alternativbaumarten für die bisher genutzten infrage kommen könnten. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass unter anderem die Douglasie, ein Nadelbaum, in Zukunft eine stärkere Rolle in der Forstwirtschaft spielen könnte. Nicht nur produziert sie viel Holz, auch gegenüber Trockenheit ist sie deutlich toleranter als die Fichte.
Vor einigen Jahren noch wurde die aus Nordamerika stammende Douglasie vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) als invasive, möglicherweise gefährliche Art eingestuft. Dass sie inzwischen vermehrt als „Baum der Hoffnung“gilt, zeigt, dass die Forstwirtschaft angesichts der momentanen Veränderungen umdenkt. Dazu zählt auch, dass sie die Artenvielfalt in den Wäldern erhöht. Laut BUND können biodiverse Wälder Stress durch Wetter oder Schädlinge besser verkraften als Monokulturen. Michael Strütt vom Forstamt Bodenseekreis sieht das ähnlich. Zwar könne nie präzise vorhergesagt werden, wie sich das Klima entwickeln wird – die Erhöhung der Artenvielfalt sei aber sicher ein richtiges Mittel zur Risikostreuung.