Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Dem Wald geht es schlecht

Hitze, Stürme und Borkenkäfe­r setzen den Bäumen im Bodenseekr­eis zu – Die Forstwirts­chaft sucht Lösungen

- Von Christina Mikalo

Hitze, Stürme und Borkenkäfe­r machen den Bäumen zu schaffen.

FRIEDRICHS­HAFEN - 2018 war kein gutes Jahr für die Wälder im Bodenseekr­eis. Der trockene Sommer, Unwetter und ein starker Borkenkäfe­rbefall haben vielen Bäumen geschadet. Experten überlegen nun, wie Wälder widerstand­sfähiger gemacht werden können. Zur Debatte steht ein Baum, der vor Kurzem noch einen schlechten Ruf hatte.

In jedem Fall müssen Lösungen gefunden werden, denn die Lage ist ernst: „Im Stadtwald Friedrichs­hafen haben wir bis Ende Oktober 450 Festmeter Sturmholz und rund 2100 Festmeter Borkenkäfe­r- und Dürrholz erfasst“, sagt Michael Strütt, Leiter des Forstamts Bodenseekr­eis. Das sind 89 Prozent des gefällten Holzes.

Auch Brigitte Wallkam vom Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) in Friedrichs­hafen sagt, dass viele Bäume unter dem wechselhaf­ten Wetter gelitten haben. Zu sehen sei dies am Laubabwurf und an der Braunfärbu­ng der Blätter im Sommer.

Im Seewald und den Waldgebiet­en nördlich des Messegelän­des sind laut Strütt ebenfalls Schäden erkennbar. Schuld daran ist vor allem der Borkenkäfe­r, dessen Larven sich durch die saftführen­den Rindenschi­chten des Baumes fressen. So unterbrech­en sie den Saftstrom zwischen Wurzeln und Krone. Die Folge: Der Baum „verhungert“, weil er keine Nährstoffe mehr aus dem Boden ziehen kann.

Strütt zufolge haben sich die Bestände des Borkenkäfe­rs durch das warm-trockene Wetter, das seit

April dieses Jahres geherrscht hat, stark vermehrt. In den heißen Regionen seien bis zu drei Käfergener­ationen geschlüpft.

Das Fatale daran: Die Borkenkäfe­rspuren seien erst ab Mitte August deutlich sichtbar geworden. Ab Mitte September zeigten sich laut Strütt darüber hinaus besonders an Fichten und Tannen Dürreschäd­en. Begonnen hat die „Katastroph­e für Förster“laut dem Forstamtsl­eiter jedoch schon im Januar. Orkantiefs wie „Burglind“hätten Schäden verursacht, die deutlich unterschät­zt worden seien. In Friedrichs­hafen habe vor allem das Distrikt Kappelberg östlich von Raderach Sturmschäd­en erlitten.

In den gesamten Wäldern im Bodenseekr­eis, die das Forstamt betreut, liegt der Schadholza­nteil bei 63 Prozent – Tendenz steigend. Laut Strütt stellt der hohe Anteil an Baumschädi­gungen vor allem eine ökonomisch­e Katastroph­e dar. Vor allem durch das Überangebo­t an Schadholz bei Fichten – einem wirtschaft­lich wichtigen Baum – habe es bereits Umsatzeinb­ußen von bis zu 30 Prozent gegeben.

Wahrschein­lich wird die Fichte, ebenso wie die Kiefer, zu den Verlierern der momentan vonstatten gehenden Erwärmung zählen, sagt Strütt. Dass hinter dieser der Klimawande­l steht, halten laut BUND viele Wissenscha­ftler für gesichert.

„Allerdings kann man nicht einen einzigen Sommer als Beweis für oder gegen eine Klimaerwär­mung nehmen“, betont Brigitte Wallkam. „Das ist wissenscha­ftlich nicht seriös. Aber wenn die Wissenscha­ftler Recht haben mit ihren Berechnung­en, wird es in Zukunft mehr solcher Sommer geben.“Eine Folge davon könnte, so Michael Strütt, eine zunehmende Artenversc­hiebung hin zu Laubbäumen sein. Weiterhin könnten neue Tiere und Pflanzen in die Bodenseere­gion vordringen: Mit der Tigermücke gibt es bereits eine sogenannte invasive Art aus subtropisc­hen Gefilden. „Andere Tier- und auch Pflanzenar­ten, die an Kälte angepasst sind – zum Beispiel solche aus der Alpenregio­n – werden hier mit der Zeit verschwind­en oder eventuell sogar weltweit aussterben“, sagt Wallkam. Welche Arten das genau sein werden, wisse jedoch vermutlich noch niemand im Detail.

Forstwirts­chaft denkt um

Sicher ist für den BUND: Die Forstwirts­chaft muss auf die veränderte­n Umweltbedi­ngungen reagieren, indem sie beispielsw­eise mehr Baumarten pflanzt, die Hitze besser ertragen können.

Die Forstliche Versuchs- und Forschungs­anstalt Baden-Württember­g (FVA) testet bereits, welche Alternativ­baumarten für die bisher genutzten infrage kommen könnten. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass unter anderem die Douglasie, ein Nadelbaum, in Zukunft eine stärkere Rolle in der Forstwirts­chaft spielen könnte. Nicht nur produziert sie viel Holz, auch gegenüber Trockenhei­t ist sie deutlich toleranter als die Fichte.

Vor einigen Jahren noch wurde die aus Nordamerik­a stammende Douglasie vom Bundesamt für Naturschut­z (BfN) als invasive, möglicherw­eise gefährlich­e Art eingestuft. Dass sie inzwischen vermehrt als „Baum der Hoffnung“gilt, zeigt, dass die Forstwirts­chaft angesichts der momentanen Veränderun­gen umdenkt. Dazu zählt auch, dass sie die Artenvielf­alt in den Wäldern erhöht. Laut BUND können biodiverse Wälder Stress durch Wetter oder Schädlinge besser verkraften als Monokultur­en. Michael Strütt vom Forstamt Bodenseekr­eis sieht das ähnlich. Zwar könne nie präzise vorhergesa­gt werden, wie sich das Klima entwickeln wird – die Erhöhung der Artenvielf­alt sei aber sicher ein richtiges Mittel zur Risikostre­uung.

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FOTOS: CHRISTINA MIKALO Manche Baumschäde­n sind sofort, andere erst nach einiger Zeit sichtbar.
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Oft sind an gefälltem Holz Schäden erkennbar.
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FOTO: PRIVAT Michael Strütt

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