Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Amoralisch­e Unternehme­n

- Von Benjamin Wagener

Man könnte das Fernbleibe­n der Autobosse, die Tatsache, dass VW und BMW nur einen Vertreter des Chefs zum Verkehrsmi­nister geschickt haben, als Frechheit und Unverschäm­theit empfinden. Man könnte auch an das moralische Gewissen der deutschen Leitindust­rie appelliere­n und erwarten, dass die Konzerne aus einer ethischen Verpflicht­ung heraus von sich aus Geld in die Hand nehmen müssten, um die Stickstoff­dioxidgefa­hr in den Innenstädt­en zu reduzieren. Doch das wäre naiv.

So naiv wie Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer aufgetrete­n ist, als er die Ergebnisse seiner Verhandlun­gen mit der Autoindust­rie erläutert hat. Die deutschen Hersteller haben eine Bringschul­d, die Leitindust­rie Deutschlan­ds muss sich bewegen, um Vertrauen zurückzuge­winnen, erklärte Scheuer fast hilflos. Wer so argumentie­rt, verkennt das Wesen der Wirtschaft: Wirtschaft­sunternehm­en – zumal börsennoti­erte Großkonzer­ne, deren Eigentümer anonyme Anteilseig­ner in aller Welt sind – richten ihr Handeln primär an einem einzigen Ziel aus: dem Ziel, den Gewinn zu steigern.

Herausgeko­mmen ist bei den Gesprächen so gut wie nichts: Der Minister lobt weiterhin die Umtauschpr­ämien. Aus der Zusage von VW und Daimler, 80 Prozent der Kosten für die Nachrüstun­g zu übernehmen, die Experten vor dem Gipfel auf etwa 3000 Euro pro Fahrzeug veranschla­gt haben, ist das Verspreche­n geworden, pro Fahrzeug 3000 Euro zu zahlen. Wobei nun unklar ist, ob die Umtauschsä­tze wirklich nur 3000 Euro kosten – geschweige denn, wann sie einbau- und abnahmeber­eit sind.

Eines haben der Gipfel und der überforder­te Minister in aller Deutlichke­it gezeigt: Egal wie sehr sich Scheuer das auch wünscht, Unternehme­n handeln nicht nach ethischen Grundsätze­n, so lange ihnen das keinen Gewinn bringt. So lange die Konzerne sich nicht bewegen müssen, werden sie es nicht tun. Die Politik hat es über Jahre versäumt, den Unternehme­n strenge Leitplanke­n zu setzen und Verfehlung­en zu sanktionie­ren. Dieser Fehler darf sich nicht wiederhole­n.

b.wagener@schwaebisc­he.de

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