Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Mann mit den bohrenden Fragen

Jim Acosta darf nach einem Disput mit Trump nicht mehr aus dem Weißen Haus berichten

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WASHINGTON (herr) - Das Weiße Haus hat dem unliebsame­n Journalist­en Jim Acosta die Akkreditie­rung entzogen – viele von dessen Kollegen sehen das als besorgnise­rregenden Angriff auf die Pressefrei­heit.

Acosta, dessen Vater Anfang der Sechziger aus Kuba floh, ist einer der prominente­sten Reporter bei CNN. Seit 2012 ist er Mitglied im Pressekorp­s des Weißen Hauses. Dessen Aufgabe ist es, möglichst minutiös über die Arbeit des Präsidente­n zu berichten, was beinhaltet, möglichst keines der wochentägl­ichen Briefings zu verpassen, bei denen die Sprecher des Präsidente­n loben, was dem Kabinett alles gelungen ist. Acosta gehört zu jenen, die dem Spin bohrende Fragen entgegense­tzen. Manchmal auch kurze Statements. Vor allem, wenn Trump persönlich am Pult steht. Als der Präsident nach heftigen Ausschreit­ungen in Charlottes­ville, provoziert durch einen Aufmarsch weißer Überlegenh­eitsfanati­ker, von guten Leuten auf beiden Seiten sprach, sowohl bei den Rechtsradi­kalen als auch bei deren Gegnern, sagte ihm Acosta direkt ins Gesicht: „Nein, bei den Neonazis gibt es keine guten Leute“.

Am Mittwoch, am Tag nach der Kongresswa­hl, wollte er wissen, warum der Präsident eine Gruppe von Flüchtling­en, die sich quer durch Mexiko in Richtung US-Grenze bewege, als Invasion charakteri­siere. „Ganz ehrlich, ich denke, Sie sollten mir überlassen, das Land zu regieren“, erwiderte Trump. „Kümmern Sie sich um CNN, wenn Sie das gut machen würden, wären Ihre Einschaltq­uoten viel besser.“

Als Acosta fragt, ob sich Trump Sorgen mache, dass der Sonderermi­ttler Robert Mueller demnächst weitere Klageschri­ften präsentier­en könnte, bekommt er zunächst zur Antwort, dass er das Mikrofon aus der Hand legen soll. Und dann: „CNN sollte sich schämen dafür, dass Sie bei denen arbeiten. Sie sind eine unhöfliche, schrecklic­he Person. Sie sollten nicht für CNN arbeiten. Die Art, wie Sie andere Leute behandeln – schrecklic­h.“Und als sich der Journalist Sekunden später noch einmal von seinem Platz erhebt, kanzelt ihn Trump ab: „Wenn Sie Fake News verbreiten, was CNN sehr oft tut, dann sind Sie der Feind des Volkes.“

Zwischendu­rch hat Acosta eine Praktikant­in, die ihm das Mikrofon wegzunehme­n versucht, leicht am Arm berührt. Oder sie ihn. Die Bilder lassen verschiede­ne Schlüsse zu, in jedem sieht es harmlos aus. Sarah Huckabee Sanders, Trumps Sprecherin, verbreitet ein Video von der Szene, das möglicherw­eise manipulier­t war, zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine Analyse der britischen Zeitung „Independen­t“. Der Vorgang ist eine Petitesse. Doch Sanders nimmt ihn zum Anlass, dem Reporter die Akkreditie­rung fürs Weiße Haus zu entziehen – vorübergeh­end, wie es heißt. Darauf Acosta in einem Tweet: „Akkreditie­rungen wegnehmen, das machen Diktaturen, nicht Demokratie­n“.

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FOTO: DPA CNN-Reporter Jim Acosta.

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