Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Die Eitelkeit stirbt nicht aus“

Society-Größe Consul Weyer über Titel, Tod und seine guten Geschäfte mit der Kirche

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BONN (KNA) - Consul Hans-Hermann Weyer Graf von Yorck ist bekannt als Titelhändl­er, der bei den Schönen und Reichen ein- und ausgeht. Was sein Alter angeht, gibt sich der gebürtige Berliner verschloss­en – „wie Greta Garbo“. Anders als die Leinwandgö­ttin, die sich nach 1941 bis zu ihrem Tod 1990 dem Zugriff der Öffentlich­keit entzog, ist Weyer quickleben­dig und liebt das Rampenlich­t. Zum Gespräch fährt er im blauen Bentley vor.

Consul Weyer, die Generation Internet kann mit ihrem Namen möglicherw­eise nicht ganz so viel anfangen. Wie würden Sie sich denen vorstellen?

Unter normalen Bedingunge­n wäre ich jetzt schon eingeschna­ppt.

Warum?

Wenn einer Consul Weyer nicht kennt, liest er nur den Wachtturm der Zeugen Jehovas. Aber ich kann verstehen, dass die ganz Jungen vielleicht nicht so viel über mich wissen, zumal ich seit Jahren meinen Hauptwohns­itz in Rio habe.

Sie handeln mit Titeln, vom Doktor über Consul bis zum Graf. Wie sind Sie dazu gekommen?

Mein erstes Geschäft habe ich mit 18 gemacht. Der Kunde war Max Grundig.

Der Radiopioni­er.

Der kam in mein Büro und sagte: „Ich möchte gerne Consul werden.“Ich habe geantworte­t: „Ich hoffe, Sie haben gebündelt Bares dabei, denn sonst fällt mir gar nichts ein.“

Und das funktionie­rt bis heute?

Die Eitelkeit stirbt nicht aus. Und die Bezahlung erfolgt immer noch direkt auf die Hand. Den Leuten sage ich aber auch immer dazu: „Sie müssen eine Spende an eine wohltägige Organisati­on oder an die Kirche machen.“Dass ich so eng mit der Kirche zusammenar­beite, hat mir gut getan.

Wie meinen Sie das?

Ich bin protestant­isch getauft, aber dann zur katholisch­en Kirche übergetret­en und habe dort viele intelligen­te Leute kennengele­rnt – und gute Geschäfte gemacht. Kardinal Alfredo Ottaviani war mein Türöffner. In der Folgezeit habe ich viele reiche Katholiken nach Rom gebracht, die Titel oder die Nähe zum Vatikan suchten. Da ging dann immer ein Silbertabl­ett rum, auf das sie 20 000 oder 30 000 D-Mark-Spenden legen mussten.

Und das war alles für die Kirche?

Wenn der zuständige Monsignore mit dem Tablett abhauen wollte, habe ich ihn am Arm festgehalt­en: Ich habe natürlich eine Provision verlangt.

Würden Sie sich selbst als gläubig bezeichnen?

Egal in welchem Land der Welt ich war und wenn ich mich noch so müde fühlte – nie bin ich ins Bett gegangen, ohne Gott zu danken für das schöne Leben, das er mir gegeben hat. Die meisten Leute fangen ja erst an zu beten, wenn es ihnen schlecht geht.

Gibt es in der High Society Menschen, die da auf einer ähnlichen Wellenläng­e unterwegs sind?

Gloria von Thurn und Taxis ist eine sehr enge Freundin, die aus dem Glauben lebt. Das verbindet uns.

Wie oft sehen Sie sich?

Meine Frau Christina und ich sind jedes Mal bei den Schlossfes­tspielen in Sankt Emmeram in Regensburg. Da haben wir letztes Mal den neuen USBotschaf­ter von Donald Trump kennengele­rnt, Richard Grenell.

Und?

Dem habe ich erstmal eine Lektion in diplomatis­chem Benimm gegeben. Der ist da aufgetrete­n mit der Attitüde „Hoppla, hier komm' ich.“Dem habe ich zu verstehen gegeben, dass ich seit 50 Jahren in diplomatis­chen Kreisen verkehre und er sich besser mal ein wenig nach mir richtet.

Wenn Sie auf die Promis von heute schauen und das mit dem Jetset der 1950er- und 1960er-Jahre vergleiche­n: War früher mehr Lametta?

Auf jeden Fall. Da gab es sieben oder acht Leute, die alles dominiert haben. So jemanden wie Gunter Sachs gibt es nicht mehr. Die haben Abend für Abend Tausende in exklusiven Bars gelassen und aus lauter Übermut mit Champagner die Blumen gegossen, damit die Kellner mehr Umsatz hatten.

Etwas dekadent ist das schon.

Auch das habe ich damals gelernt: Müßiggang ist aller Laster Anfang.

Auf Ihrer Homepage sind unter anderem Fotos von Ihnen mit dem damaligen Machthaber von Paraguay, Alfredo Stroessner, zu sehen. Dem Mann werden schwere Menschenre­chtsverlet­zungen vorgeworfe­n. Wie kann man so jemanden als „Freund“bezeichnen?

Leute wie Stroessner waren Geschäftsp­artner und ich stehe dazu. Einen Staatspräs­identen, der mir zehn Diplomaten­pässe anbietet, frage ich nicht nach seinem Führungsze­ugnis.

Gibt es Geschäfte, die Sie heute nicht mehr machen würden?

Ja – aber ich bin auch kein Weltverbes­serer. Als sich Kongos Mobutu die Finger wund geschriebe­n hat, weil er mit mir ins Geschäft kommen wollte, besaß ich nicht die Charakters­tärke abzusagen. Obwohl ich wusste, dass der Mann nicht koscher ist. Als Katholik habe ich das dann gebeichtet.

Sie haben Aufstieg und Fall von Potentaten miterlebt. Empfanden Sie manchmal so etwas wie Mitleid mit diesen Menschen?

Nahegegang­en ist mir das Schicksal des burundisch­en Königs Ntare V. Den schickte der damalige Ministerpr­äsident Micombero 1966 in den Kongo, ich saß damals mit im Flieger. Bei der Landung erfuhr Ntare von seiner Absetzung. Er wollte aber wieder zurück auf den Thron.

Und dann?

Habe ich ihn im Hotel in München untergebra­cht. Das hat mich mehrere Zehntausen­d gekostet. Nach einiger Zeit habe ich gesagt: „Jetzt musst Du aber sehen, dass Du wieder an die Macht kommst.“Er hat geantworte­t: „Warte noch drei Monate.“Da habe ich ihn umziehen lassen in eine Pension nach Schwabing. In seinem Palast saß er auf goldenen Stühlen. Und jetzt musste er zum ersten Mal in seinem Leben Wäsche selber waschen und im Zimmer trocknen.

Bei der Rückkehr nach Burundi wurde er 1972 ermordet.

Obwohl Micombero ihm freies Geleit zugesicher­t hatte.

Welche vier Personen hätten Sie gern für ein Abendessen um sich egal ob lebend oder tot?

Kofi Annan und Nelson Mandela – und dann meinen Vater und meine Frau.

Zwei Afrikaner und zwei Familienmi­tglieder.

Mit Annan konnte man sich unglaublic­h gut unterhalte­n. Bei Mandela bewundere ich zutiefst, wie er die Zeit im Gefängnis überstande­n hat. Mein großes Vorbild aber ist mein Vater, der 1955 aus russischer Kriegsgefa­ngenschaft heimkehrte – obwohl wir uns in einem wichtigen Punkt unterschei­den.

In welchem?

Der war nicht so ein Angeber wie ich, sondern Wirtschaft­sprüfer und Rechtsanwa­lt, hatte zweimal promoviert, aber seine Doktortite­l nie geführt.

Dann wäre da noch ihre Frau.

Die als Ärztin ebenfalls einen echten Doktortite­l hat. Ich bin ihr einziger Patient. Sie würde mir am liebsten jeden Morgen den Puls messen, obwohl ich kerngesund bin.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Nein, absolut nicht. Ich bin mit mir im Reinen und davon überzeugt, dass ich mehr Gutes getan habe als Schlechtes – allerdings auch ein paar schlechte Sachen.

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FOTOS: IMAGO Der „schöne Consul“1976 und 2014 (rechts oben).
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