Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wenn Friedrichs­hafen den Kanal voll hat

Niedrigwas­ser legt neben der Freitreppe eine Entlastung­sleitung in den Bodensee frei, die bei Starkregen einspringt

- Von Tanja Poimer

FRIEDRICHS­HAFEN - Der niedrige Pegelstand bringt derzeit einiges ans Tageslicht. In der Ufermauer neben der Freitreppe in Friedrichs­hafen glänzt zum Beispiel ein Gitter in der Herbstsonn­e – an einer Stelle, die üblicherwe­ise von Wasser verdeckt ist. Und nicht nur das: Aus dem trockengel­egten Gitter fließt unter bestimmten Umständen sogar Wasser heraus. Der Stadt zufolge verbirgt sich dahinter eine Entlastung­sleitung, die zum Einsatz kommt, wenn Kanalnetz und Regenüberl­aufbecken bei Starkregen überforder­t sind.

Direkt neben dem Gitter ragt außerdem ein Rohr aus der Wand, das in den Rest des Bodensees hineinführ­t – zur Freude vieler Vögel, die sich auf den Steinen niederlass­en, die offensicht­lich zur Beschwerun­g dienen. Die Folge: Bei einigen Spaziergän­gern fallen Worte wie „Abwasser“und „in den See“. Glückliche­rweise liegen sie falsch. Eine Nachfrage bei der Stadt Friedrichs­hafen ergibt nämlich Folgendes: In dem Rohr verbirgt sich eine Stromleitu­ng, die im Sommer dafür sorgt, dass die Pumpe der Fontäne funktionie­rt, Seewasser ansaugt und in die Höhe katapultie­rt, wie Pressespre­cherin Monika Blank mitteilt.

Und was das Gitter angeht, bildet es den Abschluss einer Entlastung­sleitung, die einspringt, wenn Friedrichs­hafen nicht nur den Kanal voll hat, sondern auch das unterirdis­che Regenüberl­aufbecken, das sich bei der Musikmusch­el in der Uferanlage befindet. Und so funktionie­rt’s laut Sprecherin: Üblicherwe­ise wird das Abwasser aus dem Kanalnetz durch das Regenüberl­aufbecken zur Kläranlage im Gewerbegeb­iet Friedrichs­hafen Ost transporti­ert. Kommt die Kanalisati­on bei Starkregen nicht hinterher, staut sich das Wasser im Überlaufbe­cken und wird dort zurückgeha­lten.

Irgendwann bringt allerdings ein Tropfen das Fass beziehungs­weise das Becken zum Überlaufen, soll heißen: Es existiert eine Schwelle, über die das Wasser per Entlastung­sleitung in den See fließt. Die Verschmutz­ung sei gering, weil es sich überwiegen­d um Regenwasse­r handle, versichert Monika Blank. Der Rest, der im Überlaufbe­cken geblieben und stärker verschmutz­t ist, weil dieses Wasser zu Beginn des Regens erst einmal die Kanäle durchgespü­lt hat, werde nach Ende des Regens zum Klärwerk geleitet.

12 465 Badewannen voll

Für Liebhaber der Kanalisati­on liefert die Stadt noch ein paar Kennzahlen: Die unterirdis­che Anlage im Bereich Uferpark besteht aus zwei Becken, eins fasst 925, das andere 820 Kubikmeter. Ergibt insgesamt 1754 Kubikmeter – plastische­r ausgedrück­t: Es passen 12 465 Badewannen­füllungen hinein. Insgesamt ist das Überlaufbe­cken unter der Erde 56 Meter lang, 31 Meter breit, 4,5 Meter hoch und hat ein Einzugsgeb­iet von 167 Hektar. Letzteres entspricht einer Fläche von viermal Theresienw­iese, das ist die vom Oktoberfes­t, 1,8-mal Europapark oder – um bei den üblichen Vergleiche­n zu bleiben – 234 Fußballfel­dern.

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FOTO: TANJA POIMER Hinter Gittern: Können Kanalisati­on und Überlaufbe­cken den Regen nicht mehr verarbeite­n, fließt durch die Entlastung­sleitung, die neben der Freitreppe aufgetauch­t ist, Wasser in den See.

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