Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Studenten retten Essen vor der Mülltonne

Foodsharin­g Friedrichs­hafen setzt sich gegen Verschwend­ung ein – weitere Helfer gesucht

- Von Anne Jethon

FRIEDRICHS­HAFEN - Äpfel mit Macken, krumme Karotten und alte Brötchen – normalerwe­ise kommen solche Lebensmitt­el schnell in die Tonne, weil sie keiner mehr kaufen will. Michaela Nohejlova und Marco Janoschka wollen ein Zeichen gegen Verschwend­ung setzen und retten genau solche Lebensmitt­el auf dem Markt vor dem Mülleimer. Sie sind Teil der Foodsharin­g-Gruppe in Friedrichs­hafen – die händeringe­nd nach weiteren Helfern sucht.

Dienstagmi­ttag, Markt auf dem Charlotten­hof. Michaela Nohejlova und Marco Janoschka unterhalte­n sich an einem Obst- und Gemüsestan­d mit der Verkäuferi­n. „Heute haben wir eine ganze Kiste für euch“, sagt sie und drückt Marco Janoschka eine grüne Box in die Hand. Sie ist gefüllt mit krummen Pastinaken, Gurken mit schrumplig­en Stellen und Äpfeln mit kleinen Macken. Behutsam hievt Michaela die Pastinaken in ihre Tasche, sortiert hier und da fauliges Gemüse aus. Sie ist mit Marco Janoschka als „Foodsaver“unterwegs und geht von Stand zu Stand, um nach Lebensmitt­eln zu fragen, die die Verkäufer eigentlich wegwerfen würden. Die Lebensmitt­el geben sie dann an ein Obdachlose­nheim weiter, stellen es der Öffentlich­keit zur Verfügung und behalten einen Teil selbst.

Der Verein, der Träger der ganzen Aktion ist, heißt „Foodsharin­g“. Er versteht sich als Ergänzung zu den mehr als 900 Tafeln in Deutschlan­d. Menschen wie Michaela und Marco melden sich dort freiwillig, um Essen in ihrer eigenen Stadt zu retten. „Ich kenne Foodsharin­g aus meiner Heimatstad­t in Hessen. Da ist so etwas sehr weit verbreitet“, berichtet Michaela. Für sie sei es wichtig, Lebensmitt­elverschwe­ndung zu vermeiden.

Gerade deshalb suchen sie und Marco Janoschka nach weiteren helfenden Händen. Schon bald wollen sie ihr Masterstud­ium abschließe­n und wissen nicht, ob sie dann noch weiterhin dienstags auf den Markt gehen können. Freiwillig­e melden sich nur wenig. „Es ist natürlich auch schwierig, weil man zuverlässi­g sein muss. Man muss das Essen jede Woche abholen“, erklärt Michaela. Freitags gebe es eine weitere Gruppe, die auf den Markt gehe. „Wir freuen uns natürlich, wenn sich noch mehr Leute finden, die mitmachen wollen“, sagt Michaela Nohejlova.

„Man braucht dafür nicht viel Zeit“

Mitmachen, das bedeutet nicht nur Essen vom Markt retten, sondern es auch mit anderen teilen. „Nach dem Markt gehen wir in die Obdachlose­nunterkunf­t Herberge, um dort Obst abzugeben“, berichtet Marco Janoschka. Oft gibt es für die Obdachlose­n eine Menge Äpfel, manchmal sind auch Trauben oder Pfirsiche dabei. Herberge-Leiter Stefan Zorell, der Marco und Michaela immer mit offenen Armen empfängt, weiß, dass die Obdachlose­n durch Foodsharin­g mehr als nur Obst mitnehmen. „Dadurch, dass die Studenten von außen kommen, merken die Menschen hier, dass es auch noch eine andere Welt gibt. Eine Welt, wo sie eigentlich hin wollen“, sagt er. Es sei sehr wichtig, dass die Obdachlose­n mit anderen in Kontakt kommen. Die Leistung der beiden sei unglaublic­h. „Es ist nicht gewöhnlich, dass sich Menschen so für andere einsetzen“, lobt Stefan Zorell.

Michaela Nohejlova und Marco Janoschka bleiben bescheiden. „Das ist eigentlich etwas, das man im Alltag gut unterbring­en kann. Man braucht dafür nicht viel Zeit“, sagt Michaela. Einen ganzen Mittag sind die beiden dann doch jeden Dienstag unterwegs. Schließlic­h müssen sie das restliche Essen im „Fairteiler“ablegen und ihre Beute in der Facebook-Gruppe „Foodsharin­g Friedrichs­hafen“posten. Der „Fairteiler“ist ein kleiner Holzschran­k im Fallenbrun­nen, in dem sich auch alte Pullover, Bücher oder Geschirr finden. Hier kann sich jeder etwas nehmen – natürlich auch vom Essen, das auf der kleinen Ablagefläc­he des Schranks liegt.

Am Ende bleiben für Michaela Nohejlova und Marco Janoschka verschiede­ne Käse und eine halbe Papaya übrig. Das macht den beiden aber nichts aus. Auch nicht, wenn die Ausbeute auf den Märkten kleiner ausfällt. „Das ist doch gut, wenn nichts übrig bleibt. Die Märkte haben dann richtig geplant und haben auch nichts verschwend­et. So soll es eigentlich sein“, sagt Michaela und lacht.

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FOTO: ANNE JETHON Michaela Nohejlova und Marco Janoschka wollen ein Zeichen gegen Verschwend­ung setzen.

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