Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Fünf Bedingunge­n für May

Britische Opposition erhöht den Druck in Sachen Brexit

- Von Daniela Weingärtne­r

LONDON (AFP) - Der britische Opposition­sführer Jeremy Corbyn hat Premiermin­isterin Theresa May in einem Brief fünf Bedingunge­n für die Zustimmung seiner Labour-Partei zu einem Austrittsa­bkommen mit der EU gestellt. May müsse von ihren „roten Linien“in den Brexit-Verhandlun­gen abrücken, mahnte er am Donnerstag. Corbyn forderte, dass das gesamte Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleibt und eine direkte Anbindung an den gemeinsame­n Binnenmark­t erhält. Außerdem verlangte er Zusammenar­beit mit der EU in den Bereichen Regulierun­gen der Industrie, Umweltschu­tz und Bildung sowie eine sicherheit­spolitisch­e Kooperatio­n.

May selbst nahm am Donnerstag erneute Gespräche mit der EU in Brüssel auf. Sie versprach, den für 29. März geplanten Austritt über die Bühne zu bekommen: „Ich werde beim Brexit liefern, ich werde ihn pünktlich liefern.“

BRÜSSEL - Ein weiteres Mal ging Britannien­s Regierungs­chefin Theresa May in Brüssel Klinken putzen. Neben mehreren Fotos, auf denen sie am Donnerstag mit leidendem Gesichtsau­sdruck abwechseln­d Ratspräsid­ent Donald Tusk, Parlaments­präsident Antonio Tajani und Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker die Hand schüttelte, kam dabei immerhin eine gemeinsame Erklärung mit Juncker heraus. Der Kernsatz lautet: Das Austrittsa­bkommen wird nicht wieder aufgemacht, Spielraum gibt es aber bei der politische­n Erklärung über die künftigen Beziehunge­n zwischen Großbritan­nien und der EU.

Das Team von EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier wird sich nun erneut mit britischen Beamten treffen. Ende Februar wollen dann May und Juncker wieder zusammenko­mmen, um mögliche Wege aus der Sackgasse zu sondieren. Der Spielraum ist eng. Eine Lösung könnte sein, die künftige Partnersch­aft so detaillier­t vorzuzeich­nen, dass ein Rückgriff auf den Backstopp extrem unwahrsche­inlich wird. Dafür müsste die politische Erklärung geändert werden. Der Backstopp beinhaltet, dass Nordirland trotz Brexit im Binnenmark­t bleibt, um eine harte Grenze auf der irischen Insel zu vermeiden. Da das britische Unterhaus über die künftigen Beziehunge­n zur EU völlig zerstritte­n ist, scheint es fast unmöglich, hier klarere Formulieru­ngen zu vereinbare­n, die im Unterhaus eine Mehrheit finden. Auch die EU-Regierunge­n und das Europaparl­ament müssten einer Änderung der politische­n Erklärung zustimmen.

Irland setzt auf EU-Länder

Irlands Premiermin­ister Leo Varadkar hat am Mittwoch nochmals deutlich gemacht, dass er fest darauf vertraut, dass die übrigen EU-Regierunge­n weiterhin alles tun, um den irischen Friedenspr­ozess nicht zu gefährden. „Als Führer eines kleinen Landes, das sich voll zur Mitgliedsc­haft in der EU bekennt, kann ich sagen, dass die hier erlebte Solidaritä­t bei meinen Landsleute­n großen Widerhall findet – und nicht nur dort, sondern in allen kleinen EU-Staaten.“

Während May nun zu Hause immerhin damit punkten kann, dass die Unterhändl­er sich wieder treffen, wird der Ton bei Europas Politikern rauher. Varadkar sagte: „Die Vorgänge in London und die Instabilit­ät der britischen Politik zeigen ja deutlich, warum wir eine rechtliche Garantie wie den Backstopp brauchen.“

Im Deutschlan­dfunk spann der SPD-Europaabge­ordnete Jo Leinen das Thema am Donnerstag weiter: Er wünsche die Brexit-Befürworte­r „in die unterste Kammer der Hölle.“Das Austrittsr­eferendum sei ein „Hasardeurs­piel“gewesen. „Es ist ja eine der ältesten Demokratie­n der Welt, aber man reibt sich doch die Augen, dass bei so einer fundamenta­len historisch­en Frage bisher keinerlei Gespräche über Parteigren­zen hinaus stattgefun­den haben.“Wie viele Beobachter in Brüssel glaubt auch Leinen, dass das geplante Austrittsd­atum Ende März nicht zu halten ist. Die Unterhändl­er brauchen mehr Zeit, um eine kreative Lösung zu finden, der alle Seiten zustimmen können. Zwar wird Ende Mai ein neues Europaparl­ament ohne britische Beteiligun­g gewählt. Leinen deutete aber an, dass Großbritan­nien bis zur ersten Sitzung des neuen Parlaments Anfang Juli in der EU bleiben könnte. Das gäbe den Unterhändl­ern drei Monate mehr Spielraum.

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FOTO: AFP Zufriedenh­eit sieht anders aus: Großbritan­niens Premiermin­isterin Theresa May und EU- Kommission­spräsident Jean- Claude Juncker.

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