Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Obstbauern fühlen sich im Stich gelassen
Jürgen Ganal wird bei Versammlung in Kressbronn als Ortsobmann wiedergewählt
KRESSBRONN-GATTNAU (sig) „Was die mit uns treiben, ist nicht normal“: Scharfe Kritik am Verhalten von Supermarktketten hat der Vorsitzende der Obstregion Bodensee, Hubert Bernhard, während der Ortsbauernversammlung im „Rössle“in Gattnau geübt. Der Grund: Nach dem Frostfrühjahr 2017 sind ganze Ketten zum Teil zu 100 Prozent aus den Lieferverträgen ausgestiegen, was dazu führte, dass die Lager mit Bodenseeäpfeln noch gut gefüllt sind und der Verkauf zäh anläuft.
Während die Bodensee-Obstbauern mit riesigen Umweltauflagen herausragende Produkte produzierten, würden in deren Regalen Äpfel aus Chile liegen, beklagte Bernhard am Donnerstagabend. Auf die Verantwortlichen der Ketten könne man sich nicht mehr verlassen. Der wiedergewählte Kressbronner Ortsbauernobmann Jürgen Ganal kritisierte das Verbraucherverhalten, das sich oft nur am Preis orientiere. Kreisvorsitzender Dieter Mainberger hatte zuvor eine Statistik zitiert, wonach im Jahr 1900 die Deutschen 55 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben haben – und nach einer Prioritätenverschiebung heute nur noch 14 Prozent dafür ausgeben. Sorgen machen sich die Bauern wegen der afrikanischen Schweinepest, die sich nach den Worten von Hermann Gabele vom Landwirtschaftsamt momentan in einem Gürtel von Russland bis Ungarn ziehe. Der Erreger sei nicht auf den Menschen übertragbar. Er könne sich aber rasant ausbreiten, wenn etwa kontaminierte Lebensmittel aus Lastwagen aus Osteuropa hinausgeworfen würden. Zwei Fälle mit Wildschweinen seien auch in Belgien vorgekommen. Dänemark hat einen Zaun zu Deutschland gezogen, um seine Schweinebetriebe zu schützen.
In der Region um Kressbronn sind die Jäger bemüht, die Population an Wildschweinen auszudünnen. Gabele rief die Bauern dazu auf, Wildschweine in der freien Natur dem Veterinäramt zu melden. Um Probleme für die Tier- und Schweinehalter zu vermeiden, riet er, Fremden den Zutritt in Stallungen zu verwehren oder dies nur in entsprechender Kleidung zu erlauben. Bürgermeister Daniel Enzensperger lobte die Bauern in seiner Gemeinde als Bewahrer der Schöpfung. „Sie halten die Landschaft in einem ordentlichen Zustand“, dankte er ihnen und forderte sie auf, Feldwege zu nennen, die saniert werden müssen. „Das Geld ist da“, erinnerte er an einen entsprechenden Beschluss des Gemeinderats. Der hat seit 2016 pro Jahr „richtig viel Geld“, weil 50 000 Euro für die Feldwegeinfrastruktur im Haushalt eingestellt wurden und zuletzt 100 000 Euro für Straßensanierungen, nicht zuletzt im Außenbereich der Gemeinde. Die Gemeinde bekenne sich auch zu Hagelnetzen, auch wenn die nicht schön aussehen, betonte er. Um in Zeiten zunehmender Wetterkapriolen infolge des Klimawandels vernünftig produzieren zu können, seien die Netze unumgänglich. „Wir haben sehr schöne Feldwege bekommen“, lobte Ortsobmann Jürgen Ganal die Gemeinde. Ein Versammlungsbesucher sprach sogar von einer Autobahn.
Gespräche über Fusion laufen
Einen ganzen Themenkatalog zur Situation seiner Berufskollegen arbeitete Kreisvorsitzender Dieter Mainberger ab. So laufen Gespräche über eine mögliche Fusion mit dem Bauernverband Allgäu-Oberschwaben, um beispielsweise Fachberatungen besser und kostengünstiger anbieten zu können. In trockenen Tüchern ist noch nichts, doch könne dieser Weg nicht falsch sein, glaubt er. Weitere Themen reichten von der Rolle der Landwirtschaft bei der Artenvielfalt über Messeauftritte, Dürrehilfen und Gewässerabstände bis zur Trockenheit im vergangenen Jahr sowie einer Idee von Bundestagsabgeordneten Martin Hahn über einen WasserMasterplan. Geklärt werden müsse die Wasserentnahme aus Gewässern, forderte Mainberger.
Vorgestellt hat sich in der Versammlung der neue Leiter der Geschäftsstelle des Kreisbauernverbandes Tettnang, Stefan Jäger. Bei den Wahlen wurde Jürgen Ganal erneut zum Ortsobmann gewählt, sein Stellvertreter ist Josef Wengle, der die meisten Stimmen bei den Ausschuss-Wahlen erhielt. Weitere Mitglieder sind Stefan Büchele, Stefan Lang, Sebastian Martin, Rainer Leuthold, Markus Schmid und Patrick Bauer. Über deutschlandweit rückläufige Brenner-Zahlen von 23 000 auf heute 12000 mit der Tendenz Richtung 8000, berichtete schließlich Hermann Stoppel-Heumesser.