Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Richter bricht Verfahren ab

In dem Fall gegen einen Vater und dessen Sohn geht es vorerst nicht weiter.

- Von Britta Baier

FRIEDRICHS­HAFEN/TETTNANG „Es macht so, wie das Verfahren hier betrieben wird, keinen Sinn“: Mit diesen Worten hat Richter Max Märkle am Amtsgerich­t am Montagnach­mittag ein besonders komplexes Verfahren gegen Vater und Sohn abgebroche­n, die unter anderem wegen Urkundenfä­lschung und Betrug seit dem frühen Morgen auf der Anklageban­k saßen. Das Verfahren soll nun zu einem späteren Zeitpunkt neu aufgerollt werden.

Die Umstände am Montagmorg­en waren unglücklic­h – darüber waren sich die Prozessbet­eiligten immerhin einig. Weil es den Staatsanwa­lt, der sich mit der rund 600 Seiten starken Akte intensiv beschäftig­t hatte, in den Krankensta­nd verschlage­n hatte, musste sein Kollege kurzfristi­g einspringe­n. „Ich habe die Anklage mit der Verlesung zum ersten Mal gehört“, entschuldi­gte sich der Staatsanwa­lt, nachdem er rund eine Viertelstu­nde gebraucht hatte, um alle zehn Anklagepun­kte aufzuzähle­n.

So umfangreic­h die Vorwürfe, so komplex der Sachverhal­t: Während der knapp 40-jährige Sohn sich nur in einem Punkt vor dem Gericht zu verantwort­en hat, werden dem fast 70-jährigem Vater unter anderem Urkundenfä­lschung, Falschauss­agen, Untreue und versuchter Betrug vorgeworfe­n.

Bis Ende 2011 führte der Vater einen Fahrradbet­rieb im Bodenseekr­eis, bevor er Insolvenz anmelden musste. Zuvor sollen sein Sohn und seine Tochter, die scheinbar sonst nichts mit dem Betrieb des Vaters zu tun hatten, immer wieder Konten eröffnet haben und ihrem Vater entspreche­nde Vollmachte­n gegeben haben. „Da sind Gelder von links nach rechts und von rechts nach links verschoben worden – das war für mich ein ungewohnte­s finanziell­es Verhalten“, fasste der damalige polizeilic­he Sachbearbe­iter im Zeugenstan­d zusammen. Dies soll unter anderem auch mit Familienst­reitigkeit­en zusammenhä­ngen, nachdem sich die Eheleute 2010 getrennt hatten.

So läuft seit Jahren ein Familienre­chtsverfah­ren, das bislang aufgrund der zahlreiche­n ungeklärte­n Finanztran­saktionen noch nicht abgeschlos­sen werden konnte, wie im Laufe der Verhandlun­g am Montag geschilder­t wurde.

„Wir reden alle noch miteinande­r – aber das ist nicht immer einfach, weil es eben dieses eine zentrale Thema gibt“, berichtete der Sohn. Wie tief die Eheleute zerstritte­n sind, wurde auch am Rande der Verhandlun­g deutlich, als der Vater im Zuschauerr­aum ihm unbekannte­n Besucherin­nen unterstell­te, sie seien Freundinne­n seiner Noch-Ehefrau.

Während sich die Verteidige­r darauf eingestell­t hatten, gleich zu Beginn „Verständig­ungsgesprä­che“unter Ausschluss der Öffentlich­keit über einen möglichen Verlauf der Verhandlun­g zu führen, sah das der „neue“Staatsanwa­lt etwas anders: „Verständig­ungsgesprä­che im Hinterzimm­er gehören der Vergangenh­eit an. Das habe ich noch nie gemacht. Wieso denn nicht in der öffentlich­en Hauptverha­ndlung?“, gab er das Wort an die Verteidigu­ng zurück. Doch die zeigte sich nicht einverstan­den, weshalb mit der Zeugenvern­ehmung begonnen wurde.

„Ich müsste doch ein eventuelle­s Geständnis Ihres Mandanten überprüfen – und der Zeuge hat sich mit den Akten intensiv beschäftig­t“, erläuterte der Staatsanwa­lt wenig später seine zahlreiche­n und detaillier­ten Fragen an den polizeilic­hen Sachbearbe­iter. Doch da riss bei Richter Max Märkle der Geduldsfad­en: „Ich weiß, dass Sie hier heute der Leidtragen­de sind“, sagte er an den kurzfristi­g eingesprun­genen Staatsanwa­lt gerichtet. Doch in einem solchen umfangreic­hen und schwierige­n Verfahren die Akten nicht zu kennen, sei sehr unglücklic­h. Wenn das Verfahren so weitergefü­hrt werde – also ohne Verständig­ungsgesprä­che – dann reiche der Zeitrahmen von insgesamt drei Verhandlun­gstagen bei weitem nicht aus, weshalb der Richter das Verfahren am späten Nachmittag schließlic­h

abbrach.

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