Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Verkehr war wohl noch nie eure Stärke
Liebe Zeitgenossen – ich meine jetzt die Leute mit den frisierten und tiefergelegten BMW oder den optisch aufgebretzelten Kleinwagen, die einem Colin McRay nacheifern wollen, den Rallye-Fahrer aber wohl nur vom Computerspiel kennen. Und ich meine die, die den ganzen Tag scheinbar geschäftig und rastlos durch die Gegend irren. Leider umfassen diese beiden Gruppen derzeit die Mehrheit derer, die sich auf den Straßen der Stadt fortbewegen. Anders ist das hier Beschriebene wohl nicht zu erklären.
Die Beobachtungen einer Fahrt lassen sich wie folgt zusammenfasen: Zunächst fahre ich aus der Innenstadt heraus über die Karlstraße und will links auf die Friedrichstraße abbiegen. Vorsicht ist geboten, vergangene Woche schoß hier jemand über die ehemalige Geradeausspur, die angesichts der Baustelle jetzt die Gegenfahrbahn darstellt, bei Rot über die Ampel. Mein Vorausfahrer konnte gerade noch anhalten. Nun aber ist wenig los. Bei grün fahre ich los und glaube zu träumen. Der rote Kleinwagen hält auf die Ampel zu, ohne zu bremsen und fährt bei rot einfach weiter. Sekunden vorher hätte er mich seitlich erwischt.
Dann nähere ich mich der Kreuzung am Graf-Zeppelin-Haus. Aus der Olgastraße kommt ein Autofahrer heraus und beschleunigt den Berg hoch. Es blitzt. Macht nix, ist mir auch schon passiert. Doch dann schleicht dieser Fahrer wie paralysiert den Hügel hoch, man hätte zu Fuß vorbei laufen können. Und an der Werastraße knallt von links ein Radfahrer über den Fußgängerüberweg. Es ist 19 Uhr, kein Licht, dunkle Kleidung und mit einem Fluch meinerseits im Nacken. Ich sehe nur noch den Mittelfinger. Wenn in dieser Stadt aber jemand mal links einbiegen will, findet sich niemand, der bereit ist, ihn oder sie vorzulassen. Dazu ist keine Zeit. Und Rücksicht ist unbekannt.