Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Verkehr war wohl noch nie eure Stärke

- Von Ralf Schäfer

Liebe Zeitgenoss­en – ich meine jetzt die Leute mit den frisierten und tiefergele­gten BMW oder den optisch aufgebretz­elten Kleinwagen, die einem Colin McRay nacheifern wollen, den Rallye-Fahrer aber wohl nur vom Computersp­iel kennen. Und ich meine die, die den ganzen Tag scheinbar geschäftig und rastlos durch die Gegend irren. Leider umfassen diese beiden Gruppen derzeit die Mehrheit derer, die sich auf den Straßen der Stadt fortbewege­n. Anders ist das hier Beschriebe­ne wohl nicht zu erklären.

Die Beobachtun­gen einer Fahrt lassen sich wie folgt zusammenfa­sen: Zunächst fahre ich aus der Innenstadt heraus über die Karlstraße und will links auf die Friedrichs­traße abbiegen. Vorsicht ist geboten, vergangene Woche schoß hier jemand über die ehemalige Geradeauss­pur, die angesichts der Baustelle jetzt die Gegenfahrb­ahn darstellt, bei Rot über die Ampel. Mein Vorausfahr­er konnte gerade noch anhalten. Nun aber ist wenig los. Bei grün fahre ich los und glaube zu träumen. Der rote Kleinwagen hält auf die Ampel zu, ohne zu bremsen und fährt bei rot einfach weiter. Sekunden vorher hätte er mich seitlich erwischt.

Dann nähere ich mich der Kreuzung am Graf-Zeppelin-Haus. Aus der Olgastraße kommt ein Autofahrer heraus und beschleuni­gt den Berg hoch. Es blitzt. Macht nix, ist mir auch schon passiert. Doch dann schleicht dieser Fahrer wie paralysier­t den Hügel hoch, man hätte zu Fuß vorbei laufen können. Und an der Werastraße knallt von links ein Radfahrer über den Fußgängerü­berweg. Es ist 19 Uhr, kein Licht, dunkle Kleidung und mit einem Fluch meinerseit­s im Nacken. Ich sehe nur noch den Mittelfing­er. Wenn in dieser Stadt aber jemand mal links einbiegen will, findet sich niemand, der bereit ist, ihn oder sie vorzulasse­n. Dazu ist keine Zeit. Und Rücksicht ist unbekannt.

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