Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Markus Soder darf Weihnachten in Freiheit verbringen. Und auch im neuen Jahr wird der bayerische Ministerpräsident sich kaum hinter Gittern wiederfinden. Auch wenn die Deutsche Umwelthilfe, die in Sachen Luftreinhaltung vor den Europäischen Gerichtshof gezogen ist, dies anders sieht, werden die Verwaltungsrichter in Bayern nicht die notwendige Verhältnismäßigkeit für eine Zwangshaft als gegeben ansehen. Das haben sie schon im Vorfeld so festgestellt. Und im Fall der Regierenden in Baden-Württemberg, die die Umwelthilfe ebenfalls mit einem Bein im Gefängnis sieht, wäre die Rechtsgrundlage für eine Zwangshaft noch einmal dünner.
Dennoch ist der Richterspruch aus Luxemburg kein Freifahrtschein für die Staatsregierung in München, rechtskräftige Urteile einfach so zu ignorieren wie bisher. Die Ankündigung des Ministerpräsidenten, eine „gütliche Einigung in der Sache“anzustreben, weist in diese Richtung. Denn klar ist: Rechtskräftige Urteile müssen umgesetzt werden. Das hat nichts damit zu tun, ob man den Kläger, in diesem Fall die Deutsche Umwelthilfe, nun mag oder nicht. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates. Diesen hochzuhalten, darf man gerade von einer konservativen Partei erwarten. Und die bisherige Praxis, dass die schärfste Waffe der Justiz ein Zwangsgeld ist, das der Staat aus der linken Tasche zahlt und sich in die rechte Tasche steckt, ist ja in der Tat ein Witz. Warum gehen solche Zahlungen eigentlich nicht an wohltätige Organisationen, wie das schon jetzt bei Bußgeldern aus Strafprozessen der Fall ist?
Außerdem sollte man eines nicht vergessen: Würde die Regierung in München sich auch in Zukunft genauso verstockt querstellen wie bisher, würden sich die Verwaltungsrichter vielleicht noch einmal an den Spruch der Luxemburger Richter erinnern – und die Verhältnismäßigkeit der Mittel neu bewerten. Schon unter diesem Gesichtspunkt hat sich der Prozess für die Umwelthilfe gelohnt. Denn der Kampf um saubere Luft in Innenstädten ist noch längst nicht an sein Ende gekommen.