Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ministerpr­äsident Söder bleibt die Zwangshaft erspart

Von Baugebiet bis Bahnprojek­t: Beim Ziel sind sich Grüne und CDU einig – beim Weg nicht

- Von Kara Ballarin

LUXEMBURG/ MÜNCHEN (dpa) - Erleichter­ung bei Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU/Foto: dpa). Zwar hat der Europäisch­e Gerichtsho­f Bayerns Regierung anhaltende Verstöße gegen EU-Recht vorgeworfe­n, überlässt die Entscheidu­ng über Zwangshaft gegen Politiker zur Durchsetzu­ng von Dieselfahr­verboten aber dem Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of. Dieser geht davon aus, dass es keine nationale Rechtsgrun­dlage hierfür gibt. „Gut, dass es jetzt geklärt und die Sache vom Tisch ist“, sagte Söder am Donnerstag. Die Deutsche Umwelthilf­e hatte Bayerns Regierung erfolgreic­h wegen zu hoher Stickoxid-Werte auf Münchner Straßen verklagt. Die Regierung hatte die rechtskräf­tigen Urteile aber nicht umgesetzt und keine Fahrverbot­e erlaubt.

STUTTGART - Ob Laupheim, Isny oder Meckenbeur­en: In unzähligen Gemeinden im Land herrscht kurz vor Weihnachte­n Hektik. Schnell wollen die Gemeinderä­te noch Baugebiete nach einem vereinfach­ten Verfahren ausweisen. Denn mit Ablauf des Jahres verschwind­et auch wieder der Paragraf 13b im Baugesetzb­uch, der das möglich macht. Oder doch nicht? Hierzu ist die Koalition im Land genauso uneins wie zur Frage, ob sie ein Gesetz zum schnellere­n Bau von Schienen-Großprojek­ten unterstütz­en soll. Beides ist am Freitag Thema im Bundesrat.

Wie viele Gemeinden auf dem Land den Paragrafen 13b genutzt haben, kann das Wirtschaft­sministeri­um in Stuttgart nicht sagen. Klar ist aber: Es sind viele. Denn Baugebiete bis zu einem Hektar Größe konnten am Rand von Siedlungen ausgewiese­n werden, ohne die Öffentlich­keit frühzeitig einzubinde­n. Viele Vereinfach­ungen gab es auch beim Umweltund Naturschut­z. Das hat gewirkt.

Nordrhein-Westfalen hat eine Initiative im Bundesrat gestartet, die Regelung um drei Jahre zu verlängern. „Für den Wohnungsba­u wäre das absolut wünschensw­ert“, sagt

Baden-Württember­gs Wohnbaumin­isterin Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU). Der Mangel an Wohnraum bleibe groß. „Unser größtes Problem sind die Flächen.“

Im Bundesrat wird Baden-Württember­g die Initiative aus NRW dennoch nicht unterstütz­en. Susanne Bay, Wohnbauexp­ertin der Grünen im Landtag, erklärt das so: „In Baden-Württember­g werden mithilfe des Paragrafen 13b nur wenige Wohneinhei­ten geschaffen – bei gleichzeit­ig hohem Flächenver­brauch.“Wie eine Evaluation des Bundes fürs Land ergeben habe, geschehe das auch in Regionen, wo meist kein Wohnraumma­ngel herrsche. Wenn schon vereinfach­tes Bauen, dann nur dort, wo echter Mangel bestehe, und wenn eine Mindestdic­hte vorgegeben werde.

Das Ringen um den Paragrafen 13b könnte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) beenden. Aus seinem Haus, das auch für Bauen und Wohnen zuständig ist, soll ein Gesetz zur Baulandmob­ilisierung in Arbeit sein. Wie es ausgestalt­et sein wird und wann es öffentlich wird, ist noch offen.

Rege diskutiere­n Grüne und CDU im Land zudem um ein Gesetz aus dem Haus von Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU). Das sogenannte Maßnahmeng­esetzvorbe­reitungsge­setz soll es ermögliche­n, dass große Verkehrspr­ojekte direkt vom Bundestag beschlosse­n werden können. Das soll die Zeit verkürzen, bis solche Bauvorhabe­n realisiert werden. Konkret geht es um sieben Bahnprojek­te und fünf Wasserstra­ßenvorhabe­n. Keins davon liegt in Baden-Württember­g. Das möchte die CDU im Südwesten gern ändern.

Gäubahn schneller ausbauen Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) möchte die zwölf Großprojek­te durch ein weiteres ergänzen: durch die Gäubahn. Dafür hat sich der Vorsitzend­e des Interessen­verbands Gäubahn im Rechtsauss­chuss des Bundesrats starkgemac­ht. Unterstütz­ung findet er in der Südwest-CDUSpitzen­kandidatin für die Landtagswa­hl, Susanne Eisenmann. „Schon 1996 haben die Bundesrepu­blik Deutschlan­d und die Schweiz in einem Staatsvert­rag vereinbart, dass die Gäubahn als Zubringer zum Gotthard-Basistunne­l zweispurig ausgebaut werden soll. Passiert ist seither wenig“, erklärt sie. Das könnte sich nun ändern.

Die Grünen haben indes große Bedenken, wie der Beauftragt­e des Landes beim Bund, Volker Ratzmann, am Dienstag erklärte. Es gebe Zweifel daran, dass das geplante Gesetz Bauvorhabe­n beschleuni­ge. Die Grünen befürchten zudem, dass das Klagerecht von Verbänden beschnitte­n werde. Die Gäubahn aufzunehme­n, würde gar zur Verzögerun­g führen, da das Gesetz sehr umstritten ist und wohl höchstrich­terlich beklagt werden würde, betont Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne). Für die Verzögerun­gen beim Ausbau der Gäubahn macht er das Bundesverk­ehrsminist­erium und die Deutsche Bahn verantwort­lich.

Der CDU-Verkehrsex­perte aus Biberach, Thomas Dörflinger, sieht im Gesetz indes eine Chance. Er wirft Hermann vor, zwar über lange Planungspr­ozesse zu klagen, aber diese Chance nun nicht zu ergreifen. „Wie passt das zusammen?“, fragt er. Ähnlich äußert sich Guido Wolf. „Noch im Oktober 2019 hat Hermann in einem Interview davon gesprochen, dass es unerträgli­ch sei, wie lange der Ausbau der Gäubahn dauere. Wenn Hermann nun selbst eine Beschleuni­gung des Gäubahnaus­baus torpediert, hätte ich dafür kein Verständni­s.“

Bis Donnerstag­abend war nicht klar, wie sich Baden-Württember­g am Freitag im Bundesrat positionie­ren werde, bestätigte Regierungs­sprecher Rudi Hoogvliet.

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 ?? FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA ?? Der Paragraf 13b machte Bauen für Kommunen einfacher – im Bundesrat wird über sein mögliches Ende diskutiert.
FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Der Paragraf 13b machte Bauen für Kommunen einfacher – im Bundesrat wird über sein mögliches Ende diskutiert.

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