Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Trump gibt sich kämpferisch
US-Präsident möchte Impeachment-Verfahren nutzen
WASHINGTON (dpa) - Als dritter Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten muss sich Donald Trump einem Amtsenthebungsverfahren im US-Senat stellen. Das Repräsentantenhaus stimmte am späten Mittwochabend mit der Mehrheit der Demokraten für die Eröffnung des Impeachment-Verfahrens. Trump muss sich sowohl wegen Machtmissbrauchs als auch wegen Behinderung der Kongress-Ermittlungen im Senat verantworten. Die
Republikaner hielten jedoch geschlossen zu ihm. Das eigentliche Amtsenthebungsverfahren findet im Senat statt, wo Trumps Republikaner die Mehrheit haben. Trump dürfte somit wohl im Amt bleiben.
Der US-Präsident gab sich unbeeindruckt. Noch während der Abstimmung trat er in Michigan auf und erklärte: „Wir haben nichts falsch gemacht.“Experten glauben, dass er das Verfahren im Wahlkampf für sich nutzen möchte.
WASHINGTON - Den Makel wird Donald Trump nicht wieder los. Das Wort „Impeachment“wird an dem US-Präsidenten kleben wie ein Etikett, das sich nicht mehr abziehen lässt. Es ist eine öffentliche Demütigung, gerade für ihn, der so oft in Tweets wissen lässt, dass keiner seiner Vorgänger den Job im Weißen Haus auch nur annähernd so gut gemacht hat wie er. Indem das Repräsentantenhaus für eine Amtsenthebungsklage stimmte, hat es ihn empfindlich in seinem Ego gekränkt.
Natürlich bedeutet das nicht, dass Trump nun auf seinen Abgang zusteuert. Die republikanischen Senatoren werden ihn dank ihrer Mehrheit vor dem Absturz bewahren, wenn im neuen Jahr das eigentliche Verfahren ansteht. Und dass ein Amtsenthebungsverfahren nicht zwangsläufig zu Popularitätsverlust führen muss, hat man im Falle Bill Clintons gesehen. Der schwang sich nach dem Freispruch im Senat zu neuen Höhenflügen auf, um schließlich als erfolgreicher Präsident in wirtschaftlich günstigen Zeiten in die Geschichtsbücher einzugehen.
Der Meineid nach der Sexaffäre mit Monica Lewinsky, der ihn erst einem Impeachment aussetzte, hat zwar Kratzer am Lack hinterlassen, die Marke Clinton aber nicht auf Dauer beschädigt. Gut möglich, dass sich das Ganze bei Trump wiederholt – und er im November 2020 das Präsidentschaftsvotum gewinnt und bis Januar 2025 im Oval Office regiert. Amtsinhaber haben in aller Regel gute Karten, jedenfalls dann, wenn der Konjunkturmotor brummt.
Allerdings hinkt der Vergleich mit Clinton ein wenig . Zum einen, weil er nach seiner zweiten Amtszeit nicht wiedergewählt werden konnte, während Trump trotz der Klage die Wiederwahl anstrebt. Zum anderen, weil Welten liegen zwischen den Jahren 1998 und 2019. Clinton war ein Brückenbauer. Er war darum bemüht, internationale Konflikte zu entschärfen und im eigenen Land Kompromisse zu schmieden. Trump aber spaltet, statt sich um Versöhnung zu bemühen. Er spiegelt das Dilemma eines Landes wider, dessen Bürger alle vier Jahre klagen, dass es immer schlimmer werde mit der Polarisierung, um dann den Kandidaten zu wählen, der noch stärker polarisiert.
Ein gespaltenes Land
Die Risse, die quer durch die USA verlaufen, sind 2019 tiefer, als sie es 1998 schon waren. Wenn es dafür eines Beweises bedurft hätte, die Abstimmung in der Nacht zum Donnerstag hat ihn geliefert. 230 gegen 197 Stimmen für das Impeachment wegen Amtsmissbrauchs: Bei den Demokraten waren es gerade mal drei Abgeordnete, die ausscherten, bei den Republikanern war es kein Einziger. Die scheinbar endlose Debatte vor dem Votum beschränkte sich darauf, Altbekanntes zu wiederholen. Die Demokraten erklärten
Trump zur Gefahr für die Demokratie, die Republikaner sprachen vom Putschversuch einer verzweifelten Opposition gegen einen demokratisch legitimierten Präsidenten. Um noch einmal zurückzublenden: Als Clintons Amtsenthebung zur Diskussion stand, gab es durchaus Zwischentöne, Parteifreunde gingen auf Distanz, statt ihn bedingungslos zu verteidigen. In der Trump-Partei, zu der die einst so stolze „Grand Old Party“geworden ist, zählt allein die Lagerdisziplin. Ein Seitenwechsel gilt als Verrat, unabhängig von der Faktenlage. Derweil verkündete der demokratische Abgeordnete Jeff Van Drew bei einem Besuch im Weißen Haus seinen Übertritt zu den Republikanern. „Ich glaube, das passt einfach besser zu mir“, sagte der Abgeordnete aus New Jersey.
Es ist eine Schlacht der Argumente, bei der sich der Eindruck aufdrängt, als wäre jede Seite in ihrer jeweiligen Blase unterwegs. Etwa die Hälfte der Amerikaner hält die Amtsenthebung für angemessen, während die andere Hälfte dagegen ist. Es scheint, als höre keine der
Mannschaften der anderen zu. Als ginge es nur darum, die eigenen Gewissheiten bestätigt zu finden.
Für das herbstliche Wahlkampffinale lässt die politische Grabenlandschaft eine auf die Spitze getriebene Polemik erwarten. Wird Donald Trump vom Senat freigesprochen, wird er sich in der Pose des Volkshelden feiern, des Rebellenführers, der den Seilschaften der alten Elite einmal mehr die Stirn geboten hat. Er wird sich ermuntert fühlen, mindestens genauso scharf wie bisher gegen den „Sumpf“des Establishments zu wettern.