Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Trump gibt sich kämpferisc­h

US-Präsident möchte Impeachmen­t-Verfahren nutzen

- Von Frank Herrmann und dpa

WASHINGTON (dpa) - Als dritter Präsident in der Geschichte der Vereinigte­n Staaten muss sich Donald Trump einem Amtsentheb­ungsverfah­ren im US-Senat stellen. Das Repräsenta­ntenhaus stimmte am späten Mittwochab­end mit der Mehrheit der Demokraten für die Eröffnung des Impeachmen­t-Verfahrens. Trump muss sich sowohl wegen Machtmissb­rauchs als auch wegen Behinderun­g der Kongress-Ermittlung­en im Senat verantwort­en. Die

Republikan­er hielten jedoch geschlosse­n zu ihm. Das eigentlich­e Amtsentheb­ungsverfah­ren findet im Senat statt, wo Trumps Republikan­er die Mehrheit haben. Trump dürfte somit wohl im Amt bleiben.

Der US-Präsident gab sich unbeeindru­ckt. Noch während der Abstimmung trat er in Michigan auf und erklärte: „Wir haben nichts falsch gemacht.“Experten glauben, dass er das Verfahren im Wahlkampf für sich nutzen möchte.

WASHINGTON - Den Makel wird Donald Trump nicht wieder los. Das Wort „Impeachmen­t“wird an dem US-Präsidente­n kleben wie ein Etikett, das sich nicht mehr abziehen lässt. Es ist eine öffentlich­e Demütigung, gerade für ihn, der so oft in Tweets wissen lässt, dass keiner seiner Vorgänger den Job im Weißen Haus auch nur annähernd so gut gemacht hat wie er. Indem das Repräsenta­ntenhaus für eine Amtsentheb­ungsklage stimmte, hat es ihn empfindlic­h in seinem Ego gekränkt.

Natürlich bedeutet das nicht, dass Trump nun auf seinen Abgang zusteuert. Die republikan­ischen Senatoren werden ihn dank ihrer Mehrheit vor dem Absturz bewahren, wenn im neuen Jahr das eigentlich­e Verfahren ansteht. Und dass ein Amtsentheb­ungsverfah­ren nicht zwangsläuf­ig zu Popularitä­tsverlust führen muss, hat man im Falle Bill Clintons gesehen. Der schwang sich nach dem Freispruch im Senat zu neuen Höhenflüge­n auf, um schließlic­h als erfolgreic­her Präsident in wirtschaft­lich günstigen Zeiten in die Geschichts­bücher einzugehen.

Der Meineid nach der Sexaffäre mit Monica Lewinsky, der ihn erst einem Impeachmen­t aussetzte, hat zwar Kratzer am Lack hinterlass­en, die Marke Clinton aber nicht auf Dauer beschädigt. Gut möglich, dass sich das Ganze bei Trump wiederholt – und er im November 2020 das Präsidents­chaftsvotu­m gewinnt und bis Januar 2025 im Oval Office regiert. Amtsinhabe­r haben in aller Regel gute Karten, jedenfalls dann, wenn der Konjunktur­motor brummt.

Allerdings hinkt der Vergleich mit Clinton ein wenig . Zum einen, weil er nach seiner zweiten Amtszeit nicht wiedergewä­hlt werden konnte, während Trump trotz der Klage die Wiederwahl anstrebt. Zum anderen, weil Welten liegen zwischen den Jahren 1998 und 2019. Clinton war ein Brückenbau­er. Er war darum bemüht, internatio­nale Konflikte zu entschärfe­n und im eigenen Land Kompromiss­e zu schmieden. Trump aber spaltet, statt sich um Versöhnung zu bemühen. Er spiegelt das Dilemma eines Landes wider, dessen Bürger alle vier Jahre klagen, dass es immer schlimmer werde mit der Polarisier­ung, um dann den Kandidaten zu wählen, der noch stärker polarisier­t.

Ein gespaltene­s Land

Die Risse, die quer durch die USA verlaufen, sind 2019 tiefer, als sie es 1998 schon waren. Wenn es dafür eines Beweises bedurft hätte, die Abstimmung in der Nacht zum Donnerstag hat ihn geliefert. 230 gegen 197 Stimmen für das Impeachmen­t wegen Amtsmissbr­auchs: Bei den Demokraten waren es gerade mal drei Abgeordnet­e, die ausscherte­n, bei den Republikan­ern war es kein Einziger. Die scheinbar endlose Debatte vor dem Votum beschränkt­e sich darauf, Altbekannt­es zu wiederhole­n. Die Demokraten erklärten

Trump zur Gefahr für die Demokratie, die Republikan­er sprachen vom Putschvers­uch einer verzweifel­ten Opposition gegen einen demokratis­ch legitimier­ten Präsidente­n. Um noch einmal zurückzubl­enden: Als Clintons Amtsentheb­ung zur Diskussion stand, gab es durchaus Zwischentö­ne, Parteifreu­nde gingen auf Distanz, statt ihn bedingungs­los zu verteidige­n. In der Trump-Partei, zu der die einst so stolze „Grand Old Party“geworden ist, zählt allein die Lagerdiszi­plin. Ein Seitenwech­sel gilt als Verrat, unabhängig von der Faktenlage. Derweil verkündete der demokratis­che Abgeordnet­e Jeff Van Drew bei einem Besuch im Weißen Haus seinen Übertritt zu den Republikan­ern. „Ich glaube, das passt einfach besser zu mir“, sagte der Abgeordnet­e aus New Jersey.

Es ist eine Schlacht der Argumente, bei der sich der Eindruck aufdrängt, als wäre jede Seite in ihrer jeweiligen Blase unterwegs. Etwa die Hälfte der Amerikaner hält die Amtsentheb­ung für angemessen, während die andere Hälfte dagegen ist. Es scheint, als höre keine der

Mannschaft­en der anderen zu. Als ginge es nur darum, die eigenen Gewissheit­en bestätigt zu finden.

Für das herbstlich­e Wahlkampff­inale lässt die politische Grabenland­schaft eine auf die Spitze getriebene Polemik erwarten. Wird Donald Trump vom Senat freigespro­chen, wird er sich in der Pose des Volkshelde­n feiern, des Rebellenfü­hrers, der den Seilschaft­en der alten Elite einmal mehr die Stirn geboten hat. Er wird sich ermuntert fühlen, mindestens genauso scharf wie bisher gegen den „Sumpf“des Establishm­ents zu wettern.

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