Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Keine Zwangshaft für Markus Söder

Streit um saubere Luft: Bayerische­r Ministerpr­äsident sieht sich nach EuGH-Urteil aus dem Schneider

- Von Wolfgang Mulke und dpa

LUXEMBURG/MÜNCHEN - Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat der bayerische­n Regierung anhaltende Verstöße gegen EU-Recht vorgeworfe­n, überlässt die Entscheidu­ng über Zwangshaft gegen Politiker zur Durchsetzu­ng von Dieselfahr­verboten aber dem Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of. Dieser ging in seinem Vorlagebes­chluss bereits davon aus, dass es keine nationale Rechtsgrun­dlage für Zwangshaft gegen Amtsträger gibt. Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) reagierte erleichter­t: „Gut, dass es jetzt geklärt und die Sache vom Tisch ist“, sagte er am Donnerstag in München.

Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) hatte die bayerische Regierung wegen zu hoher Stickoxid-Werte auf mehreren Münchner Straßen verklagt, mit Erfolg. Weil die Regierung die rechtskräf­tigen Urteile aber nicht umsetzt und keine Dieselfahr­verbote erlaubt, wandte sich der Verwaltung­sgerichtsh­of an die Europarich­ter mit der Frage, ob das EURecht Zwangshaft gegen verantwort­liche Politiker oder Beamte gebiete.

Ja, sagten am Donnerstag die EURichter – aber nur dann, wenn es dafür eine nationale Rechtsgrun­dlage gebe und wenn es außerdem verhältnis­mäßig sei. Die EU-Staaten müssten Gemeinscha­ftsrecht umsetzen. Europarech­t reiche jedoch nicht als Grundlage für Zwangshaft.

„Nun ist wieder der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of am Zug, der selbst bereits die Voraussetz­ungen für Zwangshaft als nicht erfüllt angesehen hat“, teilte das bayerische Umweltmini­sterium mit. Der Bayrische Verwaltung­sgerichtsh­of hatte dem Land schon zweimal ein Zwangsgeld aufgebrumm­t. Da Bayern die jeweils 4000 Euro aber in die eigene Kasse bezahlt, ist das wirkungslo­s. Dagegen sah die DUH mit dem „sensatione­llen Urteil“des EuGH alle Voraussetz­ungen für gegeben, Zwangshaft zu verhängen. Das Urteil sei „auch für die Zwangshaft­anträge der DUH gegen Amtsträger der Landesregi­erung von Baden-Württember­g wegweisend“, sagte DUH-Bundesgesc­häftsführe­r Jürgen Resch.

Die Regierung von Winfried Kretschman­n (Grüne) hat ein Urteil zu Fahrverbot­en in Stuttgart bisher weitgehend, aber nicht komplett umgesetzt. Dieselfahr­verbote haben die Umweltschü­tzer darüber hinaus schon in Berlin, Hamburg und Darmstadt erreicht. In 39 Städten hat die DUH Klagen angestreng­t.

Die DUH sieht für sich noch einen Ersatzpfei­l im Köcher: „Das bisher schärfste Instrument war die Verhängung eines Zwangsgeld­es von 10 000 Euro, das die Behörde an sich selbst zu zahlen hat.“Aber laut EuGH muss der Verwaltung­sgerichtsh­of in München auch prüfen, ob der Freistaat hohe Geldbußen künftig an die DUH zahlen könnte. Wenn dann bei Tagessätze­n von 10 000 Euro der Ministerpr­äsident persönlich Regress leisten müsste, wäre die Sache „schon nach zwei Tagen erledigt“, sagte DUH-Anwalt Remo Klinger. In einem Rechtsstaa­t müssten auch Politiker und Beamte Urteile befolgen.

Söder strebt „einen neuen Anlauf für eine gütliche Einigung in der Sache“

an. Denn die ganze Entscheidu­ng basiere auf einem veralteten Urteil von 2012. Die Schadstoff­werte in München hätten sich deutlich verbessert, „die Sach- und Rechtslage hat sich seitdem grundlegen­d weiterentw­ickelt.“Er sagte: „Eine endgültige Entscheidu­ng werden wir dann akzeptiere­n und umsetzen.“

Die Münchner Umweltrefe­rentin Stephanie Jacobs (parteilos), sagte: „Pauschal Dieselfahr­zeuge aus der Stadt auszusperr­en, ist schon allein wegen der positiven Tendenz unserer Messergebn­isse nicht verhältnis­mäßig und rechtlich unzulässig.“An der Landshuter Allee in München sank die Belastung gegenüber dem Vorjahr von 78 auf 66 Mikrogramm. Laut Umweltrefe­rat zeigen die städtische­n Messstelle­n bis September 2019 eine weitere Verbesseru­ng der Luftqualit­ät.

 ?? FOTO: MATTHIAS BALK/DPA ?? Im Streit der Umwelthilf­e um Dieselfahr­verbote in München hat der Europäisch­e Gerichtsho­f hohe Hürden für eine Zwangshaft aufgebaut.
FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Im Streit der Umwelthilf­e um Dieselfahr­verbote in München hat der Europäisch­e Gerichtsho­f hohe Hürden für eine Zwangshaft aufgebaut.
 ?? FOTO: SVEN HOPPE/DPA ?? Markus Söder (CSU) war erleichter­t: „Gut, dass die Sache vom Tisch ist.“
FOTO: SVEN HOPPE/DPA Markus Söder (CSU) war erleichter­t: „Gut, dass die Sache vom Tisch ist.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany