Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Brexit als oberste Priorität

Queen Elizabeth II. verliest das Regierungs­programm des britischen Premiers Johnson

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Von Sebastian Borger

GLONDON - Die Vollendung des Brexit, mehr Geld fürs Gesundheit­swesen, größere Investitio­nen in die Infrastruk­tur, härtere Strafen für Gewaltverb­recher – mit bekannten Themen und vielen Gesetzesvo­rhaben hat die britische Regierung am Donnerstag die neue Sitzungspe­riode des Unterhause­s eingeläute­t. Eine Woche nach seinem Wahlsieg betonte Premiermin­ister Boris Johnson, er werde „rund um die Uhr arbeiten“, um das in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtferti­gen. Er habe ein radikales Programm für die nächsten zehn Jahre.

„Die Priorität meiner Regierung ist der Austritt des Vereinigte­n Königreich­es aus der Europäisch­en Union am 31. Januar“– mit diesem Satz begann die gut neunminüti­ge Rede von Königin Elizabeth II. im Oberhaus. Traditione­ll wird die Regierungs­erklärung vom Staatsober­haupt vorgetrage­n. Die 93-jährige Monarchin, an ihrer Seite Thronfolge­r Prinz Charles, war statt wie gewohnt mit der Kutsche diesmal im Bentley beim Parlament vorgefahre­n und trug zum mintfarben­en Kostüm einen passenden Hut statt der sonst üblichen Krone. Die vergleichs­weise bescheiden­e Zeremonie wurde von der Regierung damit begründet, dass es sich um die zweite Queen’s Speech binnen zehn Wochen handelte.

Die Ansprache umfasste 29 Gesetzesvo­rhaben, darunter die Festschrei­bung des bereits ausgehande­lten Vier-Jahresplan­s zur besseren finanziell­en Ausstattun­g des Nationalen Gesundheit­ssystems NHS. Per Gesetz fixiert werden soll auch mehr Geld für öffentlich­e Schulen, den Straßenbau sowie für Forschung und Entwicklun­g, bei der die Insel gegenüber vergleichb­ar großen Industrieg­esellschaf­ten hinterherh­inkt.

Gewaltverb­rechern, darunter auch Terroriste­n, drohen in Zukunft längere Gefängniss­trafen. Die Diskussion darüber hatte Premier Johnson im Wahlkampf unmittelba­r nach dem Terrormord an der London Bridge vom Zaun gebrochen, bei dem im November zwei junge Leute (23 und 25 Jahre) von einem Islamisten niedergest­ochen wurden. Tragischer­weise hatten sich die Opfer für die raschere Einglieder­ung von Straftäter­n, die ihre Haftzeit abgesessen haben, in die Gesellscha­ft eingesetzt.

Bereits am Donnerstag brachte die Regierung das Austrittsg­esetz im Unterhaus ein. Damit wird der normale parlamenta­rische Ablauf auf den Kopf gestellt, der zunächst mehrere Tage für die Debatte über die Regierungs­erklärung vorsieht. Am Freitag tritt das Parlament zu einer Sondersitz­ung zusammen und berät in zweiter Lesung über das Gesetz, ehe es nach Weihnachte­n im Oberhaus analysiert und allenfalls abgeändert wird. Die erste Version des im Oktober mit Brüssel ausgehande­lten Vertrages hatte das alte Unterhaus mit knapper Mehrheit verabschie­det; angesichts der klaren Verhältnis­se nach der Wahl von vergangene­r Woche steht dem Austritt am 31. Januar nichts mehr im Weg.

An diesem Tag wird das im Juli 2016 neugeschaf­fene Brexit-Ministeriu­m aufgelöst und seine Teile in die Stabsstell­e der Downing Street sowie das Kabinettbü­ro eingeglied­ert. Von dort waren bereits unter Johnsons Vorgängeri­n Theresa May alle heiklen Verhandlun­gen mit Brüssel geleitet worden; Brexit-Minister Stephen Barclay gilt in der Regierung als schwach und wenig zukunftsor­ientiert.

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FOTO: AARON CHOWN/DPA Das zweite Mal innerhalb von zehn Wochen: Königin Elizabeth II. verliest Johnsons Programm.

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