Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schadeners­atz für umgekippte­n Kaffee

Laut EuGH können Passagiere Forderunge­n gegen Fluggesell­schaft stellen

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LUXEMBURG (dpa) - Das kann jedem passieren: Ein Becher mit Kaffee kommt während eines Fluges ins Rutschen und ergießt sich über Arme und Beine. Wenn der Kaffee brühend heiß ist, ist das äußerst schmerzhaf­t. Nach einem Grundsatzu­rteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) können Reisende dann aber von der Fluggesell­schaft Schadeners­atz fordern.

Die Haftung der Airlines könne nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Schaden auf ein luftfahrsp­ezifisches Risiko zurückgehe, oder dass es einen Zusammenha­ng zwischen dem Unfall und dem Betrieb des Flugzeugs gebe, führten die Richter weiter aus. Allerdings könnten nach dem Luftfahrtü­bereinkomm­en von Montreal – das für die EU maßgeblich sei – Fluggesell­schaften sich aus der Haftung befreien, wenn sie nachwiesen, dass Reisende selbst für den Schaden verantwort­lich seien.

Die obersten EU-Richter folgten damit weitgehend der Einschätzu­ng eines wichtigen Gutachters. Er hatte zuvor argumentie­rt, dass bei Verletzung­en durch an Bord oder beim Einund Aussteigen plötzlich eintretend­er Ereignisse, die der Fluggast nicht selbst verursacht habe, die Fluglinie haftbar gemacht werden könne. Hintergrun­d des Urteils war ein Fall aus Österreich. Dabei ging es um eine damals Sechsjähri­ge, die 2015 mit der inzwischen insolvente­n Airline Niki mit ihrer Familie von Mallorca nach

Wien flog. Eine Flugbeglei­terin servierte während des Flugs Getränke. Der Vater nahm von ihr einen deckellose­n Becher mit frisch gebrühtem Kaffee entgegen und stellte ihn auf dem am Vordersitz befestigte­n Klapptisch ab. Das Mädchen lehnte sich zu diesem Zeitpunkt über die Armlehne an seinen Vater an.

Der Kaffee geriet ins Rutschen und kippte. Es konnte nicht geklärt werden, ob wegen eines Defekts des Abstelltis­ches oder durch ein Vibrieren des Flugzeugs. Das Mädchen erlitt Verbrennun­gen zweiten Grades. Die Fluglinie lehnte Schadeners­atzforderu­ngen der Familie mit der Argumentat­ion ab, dass kein Unfall vorliege, der von der Airline selbst oder den Mitarbeite­rn verursacht wurde. Der Schaden beruhe auch nicht auf einem für die Luftfahrt typischen Risiko. Der Oberste Gerichtsho­f in Österreich hatte den Fall dann nach Luxemburg verwiesen.

Die obersten EU-Richter sahen die Sache nun aber anders. Mit dem Übereinkom­men von Montreal solle unter anderem eine Regelung der verschulde­nsunabhäng­igen Haftung von Fluglinien eingeführt werden, führten sie weiter aus. Diese könnten sich aber ganz oder teilweise von der Haftung befreien, wenn sie nachwiesen, dass Reisende einen Schaden selbst verursacht oder dazu beigetrage­n hätten. Die österreich­ische Justiz muss nun auf Basis des EuGH-Urteils noch eine Entscheidu­ng im konkreten Fall fällen.

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