Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Meckenbeurer Lebensräume sind etwas Besonderes
Nach sieben Jahren in der Wohnanlage für Jung und Alt bricht Ingrid Daub auf zu neuen Wegen
MECKENBEUREN - „Supervision, Coaching , Workshops“, auf diese drei Tätigkeitsbereiche weist der Flyer hin, mit dem sich Ingrid Daub ihren Kunden vorstellt. Noch bis Monatsende aber begleitet die Gemeinwesenarbeiterin die Lebensräume für Jung und Alt in Meckenbeuren, um hier mit ihrer Nachfolgerin Ute Lamprecht einen guten Übergang zu bewerkstelligen. Denn nach sieben Jahren in der Wohnanlage für Jung und Alt macht sich Ingrid Daub auf zu neuen Wegen. Dass die ganz soooo neu nicht sind, verhehlt die 54-Jährige im Gespräch mit SZRedakteur Roland Weiß nicht.
Gestatten Sie eingangs eine Frage abseits Ihrer Person: Wie geht es mit der Stelle der Gemeindewesenarbeiterin in den Lebensräumen weiter?
Die Stelle ist bereits wieder besetzt worden: Ute Lamprecht ist meine Nachfolgerin. Im Monat Dezember sind wir beide vor Ort – ich bin sehr froh über diese gemeinsame Übergabe, sie bereitet den Boden für einen guten Start.
Auch Sie waren mit einer 60-Prozent-Stelle ausgestattet. Reicht das?
Nur Teilzeit hier zu arbeiten, heißt auf ein starkes Netzwerk angewiesen zu sein. Wenn das klappt, lässt sich viel bewegen.
Was macht die Arbeit in der Wohnanlage so reizvoll?
Ihre Vielfalt, die im Lauf der Jahre immer mehr zugenommen hat. Das beginnt bei der Betreuung der Wohnanlage, deren Öffnung in die Gemeinde (etwa in Kooperationen) führt, über Projekte wie „die Lesebrille“bis zu Aktionen im Jahreslauf, wie dem Frühstückstreff.
Wo fängst du an, wo hörst du auf – diese Frage stellt sich schon auch. Aber damit einhergeht die große Freiheit, selbstständig Schwerpunkte setzen zu können. Und du weißt stets: Diese Arbeit ist sinnvoll und zukunftsorientiert.
Was gehört zu Ihren schönsten Erfahrungen in diesen sieben Jahren? Menschen mit unterschiedlichen Ansichten ins Gespräch zu bringen und gemeinsam zu Konsenslösungen zu gelangen.
Was macht der Kern Ihrer Arbeit aus?
Menschen haben Ideen und ich entwickle sie mit ihnen. Mein Job ist, diese Impulse aufzugreifen, zu unterstützen – und dann auch wieder loszulassen, sobald die Projekte eigenständig funktionieren. Wie etwa beim Fahrradreparaturtreff. Das alles steht und fällt mit den Ehrenamtlichen, die Verantwortung übernehmen.
Inwiefern ist die Meckenbeurer Anlage etwas Besonderes unter den inzwischen 29 Lebensräumen der Stiftung?
Aus vielen Gründen. Weil sie nahe dem Bahnhof liegt. Weil sie bunt und gemischt ist, mit einem Altersspektrum von fünf bis 95 Jahren. Mit 118 Menschen ist sie eine der größten Wohnanlagen der Stiftung Liebenau. Die Menschen sind im Schnitt 51 Jahre alt, kommen aus Deutschland und vielen anderen Ländern. Es gibt Eigentümer und Mieter. Kranke, behinderte Menschen und Gesunde – es ist einfach eine große Toleranz da für die Individualität der Bewohner.
Hier schätze ich auch den Bewohnerbeirat sehr, der bei der Wahl neuer Mieter immer achtsam im Wissen darum beurteilt hat: „Welchen Mieter braucht die Wohnanlage jetzt gerade?“
Gibt es für das Konzept denn Visionen?
Vom Prinzip her steckt dahinter ja der Gedanke, dass Menschen länger daheim leben können, weil sie ein starkes Netzwerk haben und dieses mitgestalten. Ich teile die Vision der Stiftung Liebenau, dass sich das Konzept der Lebensräume auf ein Quartier ausdehnen lässt – wie etwa bei der Galgenhalde in Ravensburg. Dies wäre meine Vision für Meckenbeuren.
Inwiefern hat die Situation auf dem Wohnungsmarkt hereingespielt?
Es ist schon so, dass sich die Wohnungsnot immer stärker bemerkbar gemacht hat. Es gab zuletzt keine Woche mehr ohne Anrufe, dass jemand Wohnraum sucht.
Würden Sie selbst in einer Wohnanlage wie der hiesigen leben wollen?
Ich wohne derzeit auf dem Land mit viel Platz. In eine Wohnanlage zu ziehen, ist eine bewusste Entscheidung, auf kleinem Raum mit vielen Menschen zu leben. Momentan kann ich es mir noch nicht vorstellen, wohl aber wenn ich älter und in einer anderen Lebenssituation bin – beispielsweise wenn ich kein Auto mehr habe.
Und ein stückweit leben wir das Konzept der Lebensräume derzeit schon – bei uns im Dorf achten die Nachbarn aufeinander und unterstützen sich.
Und nun vermitteln Sie dieses Wissen aus der Praxis in der Theorie? Ich bin jetzt schon als Supervisorin, Coach und Dozentin tätig – das baue ich als Standbein aus (mehr unter Ingrid.Daub@t-online.de). Unter anderem in den Fort- und Weiterbildungsangeboten der Akademie Schloss Liebenau. Konkret: bei der Ausbildung von Sozialraumassistenten und Netzwerkmanagern, die sich in der Gemeindewesen- oder Quartiersarbeit engagieren wollen. „Wie lassen sich Ressourcen vernetzen?“, zu der Frage beispielsweise biete ich den Transfer von der Theorie in die Praxis.
Was werden Sie vermissen?
Die Menschen. Die Kontakte. Die tollen Begegnungen. Ich möchte all denen danken, mit denen ich die letzten sieben Jahre gut in Meckenbeuren zusammengearbeitet habe. Ich werde viele schöne Erinnerungen und Impulse mitnehmen.