Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Arbeit im neuen Polizeipräsidium läuft schon an
Polizei ändert ihre Struktur: Ab 1. Januar hat Ravensburg ein eigenes Polizeipräsidium – Notrufe gehen bereits ein
RAVENSBURG - Wer in den Landkreisen Ravensburg, Sigmaringen oder im Bodenseekreis den Polizeinotruf 110 wählt, kommt seit Kurzem nicht mehr in Konstanz, sondern in Ravensburg raus: Unter dem Dach des neuen Polizeipräsidiums in der Gartenstraße, das zum 1. Januar offiziell seine Arbeit aufnimmt, sitzen fünf Polizisten – jeder hat ein Telefon und vier Bildschirme vor sich auf dem Tisch. Von hier aus werden Streifenwagen zum Beispiel an die Tatorte von Schlägereien, Einbrüchen oder zu Verkehrsunfällen geschickt – es wird Hilfe koordiniert für alle Fälle, in denen sich Bürger im Notruf melden.
Bisher gingen alle Notrufe nach Konstanz, wo auch noch der aktuelle Chef der Polizisten sitzt. Ab dem 1. Januar wird aber Uwe Stürmer ihr Vorgesetzter sein, der dann das neue Polizeipräsidium Ravensburg leitet. Grund für die Änderung ist eine Korrektur an der Polizeireform, die zum 1. Januar 2014 in Kraft getreten war. Damals wurden die drei Landkreise Bodensee, Sigmaringen und Ravensburg dem Polizeipräsidium in Konstanz zugeschlagen. Doch die Wege sind weit. Für Besprechungen fahren Polizisten quasi einen halben Tag durchs südliche Baden-Württemberg, um in die Zentrale und wieder zurück an ihren Arbeitsort zu kommen. Jetzt wird der Präsidiumszuschnitt wieder kleiner und ein neues Präsidium in Ravensburg geschaffen, zu dem acht Reviere und 19 Polizeiposten gehören. (Das Konstanzer Präsidium bekommt stattdessen zum Landkreis Konstanz jetzt noch die Kreise Rottweil, Tuttlingen und dem Schwarzwald-Baar-Kreis dazu.)
Der künftige Polizeipräsident Uwe Stürmer hat schon sein Büro bezogen. Er trägt Uniform und aus seinem Funkgerät neben dem Computerbildschirm dringen leise Stimmen. Er kennt den Bau, der aus dem Jahr 1938 stammt und an der Gartenstraße gleich gegenüber von einem Schnellrestaurant liegt. In dem Haus war frührer die Polizeidirektion Ravensburg untergebracht, die Stürmer bis zur Schließung 2013 leitete. Danach wurde er Chef der Kriminalpolizei in Friedrichshafen und schließlich Vize im Polizeipräsidium Konstanz. Jetzt ist er zurück.
Das Gehirn seines künftigen Polizeipräsidiums funktioniert schon: So nennt er das Führungs- und Lagezentrum, in dem die durchschnittlich 300 Notrufe pro Tag ankommen. „Hier laufen alle Drähte zusammen – im wahrsten Sinne des Wortes: Wir haben in dem Gebäude über 30 Kilometer Kabel verbaut“, sagt Stürmer. Sobald ein Fall aber besondere Ausmaße annimmt, beispielsweise bei einer Entführung oder einem großen Brand, brauchen die Polizistinnen und Polizisten an den Notruftelefonen
Hilfe. Dann wird im Raum nebenan ein Führungsstab gebildet: Experten aus dem Haus schnappen ihre Laptops, kommen ins Dachgeschoss und nehmen ihren Platz an einem Tisch mit vielen Telefonen und Computeranschlüssen ein. Sie arbeiten dann gemeinsam am akuten Fall bis beispielsweise der Großbrand gelöscht oder eine Entführung beendet ist.
Der Bürger wird die erneute Polizeistrukturreform nach Einschätzung von Stürmer nicht sofort bemerken. Er vergleicht das mit einer Bank: Wo die Zentrale sitzt, ist für den Kunden nicht so wichtig – er hat nur mit der Filiale zu tun. Das Polizeipräsidium
sei die Zentrale, die Reviere das Äquivalent zu den Filialen in der Flächen. Was am Ende auch ein Vorteil der Reform für die Bewohner der Region sei: Wenn für die Polizisten die bisher weiten Wege, die sie zu Terminen in der Zentrale oder zu Tatorten im riesigen Präsidiumsgebiet zurücklegen müssen, kürzer werden, haben die Polizisten mehr Zeit für die Ermittlungsarbeit, sagt Stürmer.
Die Leitungsverantwortung wird nach der Silvesternacht am Morgen des 1. Januar um 6 Uhr von Konstanz nach Ravensburg übergeben. Das sei eine „Schwachlastzeit“für die Polizei, in der sich die Übergabe anbiete. „Da ist auch der letzte im Bett“, sagt
Stürmer.
1250 Stellen gibt es im Gebiet des künftigen Polizeipräsidiums. Im Gebäude an der Gartenstraße werden ab 1. Januar 140 Menschen arbeiten. Unter anderem wird der Kriminaldauerdienst mit zwei Gruppen in Ravensburg sitzen, die zum Beispiel zu Tatorten von Raub, Vergewaltigung oder Mord gerufen werden, um dort die Spuren aufzunehmen. Die Kriminalpolizei bleibt wie gehabt in Friedrichshafen. Verkehrsunfall-Aufnahmetrupps sind künftig in Ravensburg, Kißlegg und Sigmaringen stationiert.
Das alte Gebäude an der Ravensburger Gartenstraße ist aber nur eine Zwischenlösung. Auf dem Gelände soll zunächst ein Neubau entstehen, in dem das Präsidium unterkommt. Dann wird das 80 Jahre alte Haus abgerissen und ein zweiter Komplex gebaut, der voraussichtlich in rund acht Jahren fertig und Heimat für Kriminaldauerdienst, Hundefüher, Verkehrspolizei und das Revier Ravensburg werden soll. Das Polizeirevier in Ravensburg ist bisher in der Seestraße im – laut Deutscher Polizeigewerkschaft – marodesten Dienstgebäude der Polizei in Baden-Württemberg. Stürmer freut sich für die Kollegen, dass sie dann von einem der schlechtesten in eines der modernsten Polizeigebäude im Land umziehen dürfen. „Dann ist der Optimalzustand erreicht, dass alle operativen Kräfte an einem Standort sind.“