Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zirkzee beschädigt Freiburger Weihnachtsglück
Dusel-Bayern dämpfen Breisgauer Träume und erhöhen Druck – Sturmtalent erhält Warnung trotz Traum-Debüt
FREIBURG - An welchem mentalen Punkt der SC Freiburg (Sechster der Tabelle nach 16 Spieltagen) mittlerweile angekommen ist, war gut an Venco Grifo abzulesen. Da stand der Torschütze (59.) des zwischenzeitlichen 1:1 gegen den großen FC Bayern München nach der unglücklichen und vor allem späten 3:1-Niederlage in den Katakomben des Stadions und redete vom Rekordmeister so ... naja ... wie man eben von einem Konkurrenten redet. Nicht von einem 29-fachen Meister, der von Haus aus Titelaspirant Nummer eins und ImmerFavorit ist. „Wir wollen jedes Spiel gewinnen und immer Paroli bieten – egal wie der Gegner heißt“, sagte der 26-Jährige: „Jeder hier im Stadion hat gesehen, dass wir 2:1 oder 3:1 in Führung hätten gehen können und dann will ich sehen, was passiert.“Doch die Zuschauer konnten dies eben nicht erleben.
Denn die Punkte blieben aus, weil die Münchner in der Nachspielzeit den lange Jahre obligatorischen Bayern-Dusel wiederfanden und nach Robert Lewandowskis 19. Saisontor (16. Minute) durch den eingewechselten Nachwuchsspieler Joshua Zirkzee (90.+1) und Nationalstürmer Serge Gnabry (90.+5) spät noch zum Sieg kamen. Wie seine Spieler war danach auch Streich hin- und hergerissen zwischen Trauer und Stolz. Denn nach der unglücklichen Niederlage gegen Hertha BSC ein paar Tage zuvor droht dem Überraschungsteam trotz einer mit bisher 25 Punkten erfolgreichen Hinrunde ein mentaler Rückschlag zum Jahreswechsel. Sollte es gegen Schalke am Samstag (15.30/Sky) ebenfalls nicht für Punkte reichen, könnte es schon einen kleinen Knacks geben.
Trainer Christian Streich formulierte knapp: „Nicht anfangen zu
träumen, schöner Abend gewesen, morgen ist Donnerstag, Samstag spielen wir auf Schalke. Da wollen wir uns dann die Punkte zurückholen, die wir heute haben liegen lassen.“Und damit es jeder versteht, schob er nach: „Ich habe keinen Bock, in die Weihnachten zu gehen und auf Schalke zu verlieren.“Für die Begegnung forderte Streich mit der „gleichen Überzeugung“und dem „gleichen Willen“zur Sache zu gehen. Dabei will sich der SC nicht hinten reinstellen. Dafür spiele man keinen Fußball, so Streich.
Wofür der FC Bayern derzeit Fußball spielt, sagte dessen Trainer Hansi Flick nicht so deutlich. Froh ist er jedenfalls, dass es nun zeitnah in die Winterpause geht. „Man merkt schon, dass die Körner jetzt ein bisschen ausgehen. Die Personaldecke ist nicht so, wie wir sie uns vorstellen“, sagte der Übergangstrainer. Leroy Sané würde da sicherlich helfen.
„Soweit ich weiß, ist das ein Spieler von Manchester City“, sagte Flick noch und schnitt das Thema ab.
Aber wer benötigt schon einen neuen Wuschelkopf, wenn man davon einen auf der Bank hat – und der direkt mal ein Spiel entscheidet. „Er hat darauf gelauert und es dann fantastisch gemacht, das war klasse“, sagte Kapitän Manuel Neuer zu jenem Joshua Zirkzee, der die Bayern vor einem Dämpfer bewahrte – und das nach gerade einmal 104 Sekunden Bundesliga-Erfahrung.
„Er ist jetzt drei Wochen dabei, die Entwicklung finde ich bemerkenswert“, sagte Flick, der im schnelllebigen Geschäft Profifußball aber vor der üblichen Hysterie warnte: „Er ist ein junger Stürmer, der es im Training schon sehr gut macht. Aber es ist noch jede Menge zu tun, wir sollten schön auf dem Boden bleiben.“18 Jahre ist der Niederländer gerade einmal alt und verdankt seinen Sprung nicht zuletzt Flick.
Der Trainer, dem wohl eine Weiterbeschäftigung bis Sommer winkt, zog eben Zirkzee und drei weitere Talente zu den Profis hoch, um die Personaldecke aufzufüllen.
Prompt zahlte Zirkzee das Vertrauen zurück und bewahrte den Meister vor einer Punkteteilung. Dass es gegen den VfL Wolfsburg (Samstag/15.30/Sky) wieder so kommt, ist nicht ausgeschlossen. Allerdings sagte Mitspieler David Alaba über Zirkzee: „Er besitzt sehr viel Potenzial, aber Talent reicht oft nicht. Er muss weiter arbeiten.“Genauso wie der SC Freiburg und ganz sicher auch der FC Bayern.
„Ich habe keinen Bock, in die Weihnachten zu gehen und auf Schalke zu verlieren.“
Christian Streich