Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Premier ist allzu hochmütig

- Von Sebastian Borger politik@schwaebisc­he.de

Dterhauses ist die logische Folge der Wahl. Mit eindeutige­r Mehrheit haben die Briten Boris Johnson das Mandat dafür erteilt, den 2016 beschlosse­nen EU-Austritt in die Tat umzusetzen. Der Premiermin­ister packt die Aufgabe mit charakteri­stischer Energie an. Das kann nur gut sein für Großbritan­nien und für das Vertrauen der Bürger in ihre demokratis­chen Institutio­nen.

Johnson spricht auch von Heilung. Er will vom Gegensatz zwischen Brexiteers und EU-Freunden am liebsten nichts mehr hören. Diese „Heilung“wird Wunschdenk­en bleiben. Das liegt teilweise an der etwas albern wirkenden Hartnäckig­keit, mit der viele Labour-Leute, Liberaldem­okraten und schottisch­e Nationalis­ten die negativen Brexit-Folgen beschwören. Augenrolle­nd sprechen sie von wirtschaft­lichem Verfall und internatio­naler Isolation; Anzeichen gibt es dafür einstweile­n keine.

Heilung muss aber, wenn sie gelingen soll, vom Premier ausgehen. Davon kann bisher keine Rede sein. Johnsons gute Laune nach dem klaren Wahlsieg ist verständli­ch. Leider grenzt sie an Hochmut. Alle Einwände oder Verbesseru­ngsvorschl­äge vom Tisch zu wischen, entweder mit einem Scherz oder mit bombastisc­hen Sprüchen, spricht nicht für Kompromiss­bereitscha­ft.

Das modifizier­te Austrittsg­esetz deutet in dieselbe Richtung. Wer plötzlich Arbeitnehm­ergarantie­n und Mitbestimm­ungsrechte des Parlaments nicht mehr festschrei­ben mag, setzt sich dem Verdacht aus, einen harten Brexit durchsetze­n zu wollen. Das entspricht nicht dem Wählervotu­m, weder beim Referendum 2016 noch vergangene Woche. Treffend hat Johnson davon gesprochen, er verdanke seinen Sieg vielen Wählern, die den Konservati­ven ihre Stimme „nur geliehen“haben. Deshalb sollte er den englischen Nationalis­ten nicht nachgeben, die vom Singapur an der Themse träumen.

Die heikle Lage in Nordirland, die Bedürfniss­e der eng verzahnten Wirtschaft, die grenzübers­chreitende Zusammenar­beit von Forschern und Ingenieure­n – alles spricht für eine weiterhin enge Verbindung Großbritan­niens mit der EU, dem größten Binnenmark­t der Welt.

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