Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Klimapaket nimmt die letzte Hürde

Länderchef­s stolz auf Kompromiss – Höhere Benzinprei­se werden durch niedrigere Strompreis­e wettgemach­t

- Von Sabine Lennartz G

BERLIN - Vor sechs Wochen noch war Baden-Württember­gs grüner Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n sichtbar aufgebrach­t über das Klimapaket der Bundesregi­erung. Seiner Ansicht nach wurde das den Anforderun­gen für mehr Klimaschut­z nicht gerecht. „Heute sehen Sie einen erleichter­ten Ministerpr­äsidenten“, sagt Kretschman­n jetzt bei der Debatte des Klimapaket­s im Bundesrat. Denn der Vermittlun­gsausschus­s von Bund und Ländern hat kräftig nachverhan­delt und den Einstiegsp­reis für die CO2Abgabe von zehn auf 25 Euro hochgesetz­t, im Gegenzug aber eine kräftige Entlastung bei der EEG-Abgabe vereinbart.

Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD), die zusammen mit dem Unionsfrak­tionsvize Andreas Jung die Verhandlun­gen im Vermittlun­gsausschus­s führte, zählt die sieben Kernpunkte der Einigung auf:

1. Niedrigere Ticketprei­se: Die Mehrwertst­euer wird auf Tickets für den Fernverkeh­r von 19 auf sieben Prozent sinken. Die Fahrpreise fallen entspreche­nd. Offen ist allerdings, ob das auch für die Bahncard 25 und 50 gilt. Darüber müssen sich Bund und Länder erst noch einigen.

2. Höhere Benzinprei­se: Die Einführung eines jetzt auf 25 Euro/Tonne erhöhten CO2-Preises ab 2021 ist beschlosse­n. Der Betrag soll um jährlich fünf Euro, ab 2024 um zehn Euro steigen und ab 2026 zwischen 55 und 65 Euro betragen. Dadurch werden auch die Spritpreis­e teurer.

3. Entlastung­en: Im Gegenzug zu den erhöhten Benzin-, Dieselund Heizölprei­sen sollen die Bürger bei den Stromkoste­n entlastet werden. Laut Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Kretschman­n wird ein durchschni­ttlicher Haushalt rund 100 Euro weniger für Strom zahlen. Denn die zusätzlich­en Einnahmen durch die CO2-Bepreisung sollen vollständi­g zur Entlastung der Bürger eingesetzt werden. Ab 1. Januar 2021 wird die EEG-Umlage gesenkt, ab 2024 die Entfernung­spauschale für Fernpendle­r noch einmal angehoben.

4. Pendlerpau­schale: Die Pauschale wird wie vorgesehen ab 2021 ab dem

21. Kilometer auf 35 Cent angehoben, von 2024 bis 2026 auf 38 Cent. Entspreche­ndes gilt für die Mobilitäts­prämie für jene Niedrigver­diener, die keine Steuern zu zahlen haben. Die Mobilitäts­prämie beträgt 14 Prozent der erhöhten Entfernung­spauschale.

5. Windenergi­e: Der Vermittlun­gsausschus­s bittet die Bundesregi­erung, Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer besseren Akzeptanz und damit dem Ausbau von Windenergi­e führen. Im Gespräch ist eine Beteiligun­g der betroffene­n Kommunen an den Erlösen der Windräder. Bei der Windkraft müssten schnell neue Anlagen ans Netz, forderte Kretschman­n, und die Ausbremsun­g müsse beseitigt werden.

6. Gebäudesan­ierung: Hausbesitz­er werden bei einer energetisc­hen

Gebäudesan­ierung unterstütz­t, der Austausch alter Ölheizunge­n soll mit 40 Prozent gefördert werden. Für Energieber­ater sollen 50 Prozent der Kosten steuerlich absetzbar sein.

7. Kostenvert­eilung: Von 2021 bis 2024 sollen die Länder jeweils 1,5 Milliarden Euro erhalten, die vor allem die Steuermind­ereinnahme­n durch die Absenkung der Steuer im Fernverkeh­r abpuffern.

Alle neuen Punkte kommen zu den bereits beschlosse­nen Maßnahmen zur Förderung von E-Autos, zur Stärkung der Schiene und zu einer höheren Luftverkeh­rsabgabe hinzu. Das Klimapaket sei durch die Länder „ökonomisch wirksamer und sozial verträglic­her gestaltet worden“, freut sich Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU). Die Länder hätten mit einer guten Entscheidu­ng die Demokratie gestärkt, sagt Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Über alle Parteigren­zen hinaus lobten Ministerpr­äsidenten das neue Paket als „echten Klimapakt“. Mit diesem könnte ein Gegensigna­l gegen Klimaignor­anten auf der einen Seite und Panikmache­rn auf der anderen Seite gesetzt werden. Bei allen war die Sorge spürbar, dass die Bevölkerun­g besonders auf dem Land bei den anstehende­n Umstellung­en mitgenomme­n werden müsse, dass nicht nur aus Sicht der Städte Politik gemacht wird. Laut dem NRW-Ministerpr­äsidenten Armin Laschet (CDU) zeigt der Kompromiss, dass auf die Bedenken eingegange­n wurde. „Gäbe es die Pendlerpau­schale nicht, man müsste sie erfinden.“

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Reisende im Fernverkeh­r bekommen ab dem kommendem Jahr ihre Tickets zu günstigere­n Preisen.

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