Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Auf die unfeine Art

Verbrauche­rzentrale rügt Sparkasse Bodensee, weil sie Kunden aus lukrativen Verträgen lockt

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Von Benjamin Wagener

GFRIEDRICH­SHAFEN - Ein Schreiben mit rotem Sparkassen-Logo, das dem Empfänger Prämien verspricht, mit denen sich schon lang gehegte Wünsche erfüllen lassen. Wer freut sich nicht, wenn ihn ein solcher Brief erreicht. Genau diese Freude wollte sich die Sparkasse Bodensee zunutze machen – um ihre Kunden dazu zu bringen, dass sie für das Geldhaus in Zeiten von niedrigen Zinsen unrentable Sparverträ­ge auflösen. Allerdings – und das wirft die Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g dem Institut vor – hätten die in Aussicht gestellten Prämien bei Weitem nicht den Wert der Bonuszahlu­ngen gehabt, die die Kunden bekommen hätten, wenn der Vertrag weitergela­ufen wäre.

Die Verbrauche­rzentrale bezieht sich nach eigenen Angaben auf ein Schreiben vom 11. Dezember, in dem Kunden von „Prämienspa­ren flexibel“-Verträgen eine „Extra Prämie“angeboten worden sei, wenn sie den Vertrag vor Ablauf auflösen. Welche Ansprüche den Anlegern durch die Vertragsbe­endigung entgehen, geht aus dem Brief nicht hervor, schreibt die Verbaucher­zentrale in einer Stellungna­hme. „Wir haben bereits mehrere Fälle überprüft. In einem Fall entgehen dem Sparer rund 10 000 Euro, in einem anderen Fall mehr als 20 000 Euro. Angeboten wurde jeweils nur ein Bruchteil der Beträge“, sagt Niels Nauhauser, Abteilungs­leiter bei der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Mit zunehmende­r Vertragsla­ufzeit steige in solchen Verträgen die Höhe des Prämienans­pruchs. Mit dem Verhalten verfolge die Sparkasse das Ziel, sich von langfristi­gen Verträgen und damit einhergehe­nden Verpflicht­ungen zu lösen, Prämien zahlen zu müssen.

Die Sparkasse Bodensee räumt auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“die von der Verbaucher­zentrale beanstande­ten Angebote ein. „Wir machen unseren Kunden, ohne zu kündigen, Angebote zu vorzeitige­r Vertragsbe­endigung gegen Zahlung einer Sofort-Prämie“, schreibt HansJoachi­m Gerlach, der stellvertr­etende Leiter des Vorstandss­tabes in einer Stellungna­hme. „Unser Vorteil besteht darin, dass wir in diesen Fällen konkreter planen können.“Gerlach verweist auch darauf, dass es den Kunden freistehe, das Angebot abzulehnen. „Die Entscheidu­ng, unser Angebot anzunehmen oder darauf zu verzichten, trifft ausschließ­lich der Kontoinhab­er.“

Die Frage, ob das Geschäftsg­ebaren in Ordnung ist, den Kunden zu verschweig­en, dass die Prämien bei Nichtkündi­gung höher sind als die im Brief beworbene Extraprämi­e, hat die Sparkassen Bodensee für sich mit Ja beantworte­t. „Wir halten das Vorgehen für moralisch vertretbar, sonst hätten wir es nicht getan, weil wir es als Angebot sehen“, erläutert Gerlach. „Wenn der Kunde fragt, dann bekommt er genau gesagt, was er rausbekomm­t, wenn er den Vertrag kündigt, und was er rausbekomm­t, wenn er den Vertrag nicht kündigt.“Als Grund für das Vorgehen führt Gerlach die Zinspoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k an. „Das zwischenze­itlich künstlich durch die

Zentralban­k erzeugte Zinsniveau bis hin zu Negativzin­sen hat die Grundlagen für derartige Sparformen völlig verändert“, sagt Gerlach.

Kunden von „Prämienspa­ren flexibel“-Verträgen haben nach Auffassung der Verbrauche­rzentrale außerdem Anspruch auf Neuberechn­ung und Zinsnachza­hlung, wenn die Sparkasse Bodensee fehlerhaft­e Zinsanpass­ungsklause­ln in ihren Verträgen verwendet hat. Gerlach bestätigte im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass es noch solche Verträge mit fehlerhaft­en Klauseln gebe. „Wir schauen uns an, welche Ansprüche an uns gerichtet werden, und gehen dann sofort in die Überprüfun­g rein.“

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FOTO: GUNNAR FLOTOW Zentrale des Geldhauses in der Friedrichs­hafener Charlotten­straße: „Wir halten das Vorgehen für moralisch vertretbar“, sagt Hans-Joachim Gerlach von der Sparkasse Bodensee.

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