Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mit Kartoffelsalat und Würstchen in der Arktis
Wie die Besatzung des Forschungsschiffes „Polarstern“in unwirtlicher Umgebung Weihnachten feiert
ARKTIS (dpa) - Hoch im Norden mag es unwirtlich sein, mit Temperaturen von derzeit etwa minus 30 Grad und ständiger Dunkelheit. Doch an Bord des Forschungsschiffes „Polarstern“, das umschlossen von Eis durch die zentrale Arktis driftet, geht es durchaus auch mal gemütlich zu. Mit Weihnachtsdeko und Gebäck wird auch dort die Adventszeit zelebriert.
„Seeleute sind sentimental – auch wenn sie es nicht so zeigen“, schreibt Kapitän Stefan Schwarze per E-Mail. Alle Aufenthaltsräume seien geschmückt. „Das ist Tradition. Und Traditionen halten sich in der Seefahrt, selbst wenn sie woanders längst ausgestorben sind.“Deshalb serviert die Küche Heiligabend auch einen deutschen Klassiker: Kartoffelsalat mit Würstchen. Gefeiert wird am 24. Dezember im Blauen Salon, der guten Stube des Schiffes. Dort steht auch ein Weihnachtsbaum – allerdings aus Plastik. „Die heutigen künstlichen Tannen sind von den echten kaum noch zu unterscheiden“, so Schwarze.
Jeder bekomme einen bunten Teller und eine Kleinigkeit geschenkt. Auch Weihnachtslieder werden gesungen. „Die internationalen Teilnehmer bringen ihre Weihnachtsbräuche ein, sodass am Ende ein multikultureller Abend dabei herauskommt.“Auch Silvester wird an Bord des Forschungsschiffes gefeiert, sogar mit Alkohol – aber in Maßen, wie Schwarze betont. Feuerwerksraketen werden nicht abgeschossen. „Dafür wird die ganze Nacht getanzt.“Um Mitternacht treffen sich alle auf der Schiffsbrücke, um das neue Jahr akustisch mit dem Schiffshorn zu begrüßen.
Damit die Forscher in der im Winter eigentlich unzugänglichen zentralen Arktis Messwerte nehmen können, driftet die „Polarstern“vom Meereis umschlossen ohne eigenen Antrieb über den Pol. An Bord sind jeweils rund 100 Wissenschaftler,
Techniker und Seeleute. Erst kürzlich gab es einen ersten Schichtwechsel. Ein Versorgungsschiff brachte neue Crew-Mitglieder, zudem Lebensmittel, Ersatzteile und wissenschaftliche Ausrüstung. Ziel der einjährigen Expedition ist es, die Auswirkungen des Klimawandels genauer verstehen zu können: Die Arktis gilt als Frühwarnsystem für Veränderungen des Erdklimas.
Mitgebracht hat das Versorgungsschiff „Kapitan Dranitsyn“auch Weihnachtspost. Die Wissenschaftler und Seeleute stehen mit ihren Angehörigen sonst sporadisch per EMail in Verbindung. Ab und zu stellt ihnen der Funker zudem eine Telefonverbindung
her. „Letzteres wird sicherlich zu Weihnachten von vielen genutzt, sodass es einen ordentlichen Andrang geben wird“, schreibt Schwarze.
An den Feiertagen wird zudem ordentlich geschlemmt: „Ich habe es noch nicht anders erlebt, als dass die Köche die Gelegenheit nutzen, um über sich hinauszuwachsen“, erzählt der Kapitän, der regelmäßig mit der „Polarstern“des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) unterwegs ist. Ein paar Tage später trifft sich dann der „Wiegeclub“im Blauen Salon, um die Gewichtszunahmen zu erfassen. Auch der Club hat bereits Tradition an Bord.