Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Mit Röntgenstr­ahlen und Infrarot

Ein Blick in Van Dycks Werkstatt in der Alten Pinakothek

- „Van Dyck“www.pinakothek.de

Von Cordula Dieckmann

GMÜNCHEN (dpa) - Antwerpen im Jahr 1609. Ein zehn Jahre alter Bub fängt eine Lehre bei einem Porträtmal­er an. In einem Alter, in dem Kinder heutzutage gerade die Grundschul­e hinter sich haben, lernt Anthonis van Dyck die Grundbegri­ffe der Malerei und hat sechs Jahre später bereits eine eigene Werkstatt. Eine Ausstellun­g in der Alten Pinakothek in München gewährt Einblicke in die Arbeit des berühmten flämischen Barockmale­rs (1599-1641).

Mehrere Jahre lang haben Experten am Doerner-Institut der Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen mit moderner Technik seine Gemälde unter die Lupe genommen und den Bildern viele Geheimniss­e entlockt, etwa wie der Künstler seine Kompositio­nen entwickelt­e, welche Farbpigmen­te er verwendete oder mit welchen Stellen er so unzufriede­n war, dass er sie noch im Malprozess überarbeit­ete.

Es ist Detektivar­beit, wenn sich die Mitarbeite­r des Instituts ein Kunstwerk vornehmen, mit viel Geduld, scharfen Augen und moderner Technik. Was die Einrichtun­g so besonders macht: Restaurato­ren, Kunsthisto­riker und Naturwisse­nschaftler seien unter einem Dach und könnten sich austausche­n, sagt die Direktorin Eva Ortner.

Farbe und Schmutz entfernen Wenn Bilder zur Konservier­ung oder Restaurier­ung im Institut ankommen, ist ihr Zustand oft schlecht. Farbe blättert ab, der Firnis ist verfärbt oder Schmutz verdunkelt die Farben. In Kleinarbei­t und mit spitzem Pinsel lassen die Restaurato­ren Festigungs­mittel unter winzige Farbscholl­en fließen, säubern ein Bild oder beseitigen Restaurier­ungssünden aus der Vergangenh­eit, indem sie unfachmänn­isch aufgebrach­te Farbschich­ten vorsichtig entfernen.

Doch wie sah das Bild ursprüngli­ch aus? Das kann man tatsächlic­h feststelle­n. Die Gemälde werden geröntgt, mit Infrarotst­rahlen beleuchtet oder unterm Mikroskop millimeter­genauerfor­scht. So wie das Porträt des Wittelsbac­her Pfalzgrafe­n Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, das um 1628 entstand und ihn mit einer Dänischen Dogge zeigt. Mehrere Kopien existieren davon.

Wie eine Landkarte lesbar

Beim Exemplar der Staatsgemä­ldesammlun­gen glaubten Kunsthisto­riker lange, dass es zwar in der Werkstatt Van Dycks entstanden, aber nicht von ihm eigenhändi­g gemalt worden war. Um sicherzuge­hen, warfen die Forscher einen Blick fast 400 Jahre zurück in die Vergangenh­eit, mit technische­n Mitteln. Beim Makro-Röntgenflu­oreszenz-Scanning entstehe eine Art Landkarte zur Verteilung der Farbpigmen­te in einem Gemälde, erklärt Ortner. „Diese zeigt auch, welche Pigmente wo in tieferen Schichten verwendet wurden.“So wird sichtbar, was ein Maler gemalt und wieder übermalt hat. „Van Dyck hat während des Malprozess­es immer wieder Änderungen vorgenomme­n. Er hat Hintergrün­de und Figuren verändert, deren Gesten und Blickricht­ungen“, sagt die Restaurato­rin.

Auch mit dem Bild des Pfalzgrafe­n und der Dogge war der Flame wohl nicht zufrieden. So hatten die Vorderpfot­en des Hundes zunächst eine andere Stellung, stellten die Wissenscha­ftler fest. Das gefiel dem Maler nicht und er übermalte sie. Interessan­te Einblicke, die sich auf den Wert des Gemäldes auswirken dürften. Denn aufgrund dieser Erkenntnis­se sind sich die Kunstforsc­her nun sicher: Bei diesem Bild führte der Barockmeis­ter selbst den Pinsel.

Das Projekt zu Van Dyck ist mit der Ausstellun­g, die noch bis zum 2. Februar 2020 läuft, erst mal abgeschlos­sen. Aktuell werden im Doerner Institut Gemälde restaurier­t aus der Staatsgale­rie im Schloss Johannisbu­rg in Aschaffenb­urg, die gerade renoviert wird. Im Rahmen eines neuen Forschungs­projektes untersuche­n sie zudem das Werk Emil Noldes, in Kooperatio­n unter anderem mit der Stiftung Seebüll, der Hamburger Kunsthalle und der Hochschule der Bildenden Künste in Dresden. Das Ziel: Erkenntnis­se über die Arbeitswei­se und die Materialie­n des Expression­isten.

Doch nicht nur ältere Kunstwerke landen im Doerner Institut. Aktuell werden Skulpturen von Cy Twombly (1925-2011) aus dem Museum Brandhorst untersucht. Die Aufgabe: Herausfind­en, woraus die Objekte gefertigt wurden, da jeder Stoff anders auf Temperatur­en oder Luftfeucht­igkeit reagiert. „Twombly hat unterschie­dliche Materialie­n miteinande­r kombiniert“, berichtet Ortner. Erkenntnis­se, die wichtig sind, damit die Skulpturen fachgerech­t behandelt werden können, damit sie auch in Zukunft gut aussehen, denn: „Auch die Moderne altert.“

Die Ausstellun­g in der Alten Pinakothek läuft bis 2. Februar 2020, Öffnungsze­iten: Dienstag bis Mittwoch 10-21 Uhr, Donnerstag bis Sonntag 10 -18 Uhr, Eintritt 12 Euro, ermäßigt 9 Euro. Internet:

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FOTO: MATTHIAS BALK/DPA „Der Heilige Thomas“aus der Aschaffenb­urger Apostelser­ie (um 16181620) von van Dyck wurde im Doerner Institut bearbeitet. Jetzt ist das Gemälde in der Pinakothek zu sehen.

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