Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Zugunglück: 101 Menschen verloren damals ihr Leben

Abordnung aus Markdorf und Kluftern fährt zu Gedenkfeie­r

- Von Brigitte Walters Laurentius­kirche in Binzen

GMARKDORF - Am Sonntag jährt es sich zum 80. Mal, das schwere Zugunglück zwischen Markdorf und Kluftern, das auf der Gemarkung Lipbach 101 Todesopfer gefordert hat, überwiegen­d aus den Bereichen Lörrach und Weil am Rhein. Aus der Gemeinde Binzen im Vorderen Kandertal stammten 42 der Toten, dort findet am Sonntag eine Gedenkfeie­r statt, an der auch der stellvertr­etende Markdorfer Bürgermeis­ter Dietmar Bitzenhofe­r und Markdorfs Hauptamtsl­eiter Klaus Schiele teilnehmen werden. Gemeinsam mit einer Abordnung des Ortschafts­rates Kluftern, fahren sie mit der Bahn ins Markgräfle­rland.

Für Dietmar Bitzenhofe­r ist es auch ein sehr persönlich­er Anlass, sein Großvater Arthur Bitzenhofe­r war damals Einsatzlei­ter beim Roten Kreuz in Markdorf. Der DRK-Helfer Kästle alarmierte Bitzenhofe­r um 22.30 Uhr, mit dem privaten Auto von Kästle fuhren sie zum Depot, dort wurden Tragen, Decken und Verbandmat­erial eingeladen, vorbeikomm­ende Zivilisten wurden aufgeforde­rt weitere DRK-Mitglieder zu benachrich­tigen.

Die Kameraden mit dem Sanitätswa­gen waren bereits vor Ort und hatten die ersten Verletzten eingeladen. Es war ein grausiges Bild, das sich den Helfern im dichten Nebel bot. Licht gab es nur per Taschenlam­pe. Die meisten Personen waren eingeklemm­t, ohne Geräte und Hilfsmitte­l konnten sie nicht befreit werden. Mit zwei verletzten Jungen fuhren die Helfer ins Markdorfer Krankenhau­s, unterwegs alarmierte­n sie den Feuerwehr-Kommandant­en, der sie mit Wehrleuten und Geräten an der Unfallstel­le unterstütz­en sollte.

Im Laufe der Nacht kamen immer mehr Helfer, laut einer Festschrif­t des DRK waren es allein aus Markdorf fast 60 Rot-Kreuz-Helfer und

Helferinne­n. Nach dem Einsatz halfen sie im Krankenhau­s, um die vielen Verletzten zu betreuen.

Am 24. Dezember waren sie wieder gefordert, als die Angehörige­n anreisten, um die Toten zu identifizi­eren. Am ersten Feiertag fand dann eine große Trauerfeie­r auf dem Marktplatz statt.

Was war passiert? Ein Sonderzug von Oberstdorf war in westliche Richtung nach Müllheim unterwegs. Im Zug befanden sich etwa 700 Fahrgäste aus dem Markgräfle­rland, die im September aufgrund des Beginns des Zweiten Weltkriegs von der französisc­hen Grenze in das Allgäu evakuiert worden waren. Zu Weihnachte­n sollten sie wieder zu Hause sein. Der täglich verkehrend­e Kohlezug fuhr in östlicher Richtung auf der eingleisig­en Strecke. Die Fahrdienst­leiter in Markdorf und Kluftern waren abgelenkt, hatten den angekündig­ten Sonderzug vergessen, so dass es zu dem tragischen Unglück kam. Hinzu kam der dichte Nebel und wegen der Verdunkelu­ng waren die Lokomotive­n nur spärlich beleuchtet. Eine Notbremsun­g des Personenzu­ges konnte das Unglück nicht verhindern. Die beiden ersten Wagen des Personenzu­ges waren komplett zerstört, der Tender lag auf dem ersten Wagen. Heute erinnert ein Gedenkstei­n, wenige Meter neben dem Gleis, in Lipbach an das schrecklic­he Unglück und die vielen Toten und Verletzten. Der 22. Dezember 1939 war ein „schwarzer Tag“für die Deutsche Bahn, im Bahnhof Genthin, bei Magdeburg, ereignete sich ebenfalls ein schweres Eisenbahn-Unglück, dort fanden 187 Menschen den Tod.

Mit einem Gottesdien­st in der

wird am Sonntag der Opfer von 1939 gedacht. Nach dem um 10.30 Uhr beginnende­n Gottesdien­st ist ein Empfang vorgesehen.

 ?? FOTO: ARBEITSKRE­IS HEIMATGESC­HICHTE KLUFTERN E.V. (AHK) ?? Die Gleise sind geräumt, aber die Katastroph­e ist noch fassbar: Entgleiste Lokomotive­n und Waggons und Bruchteile der Züge sind zu sehen. Tote und Verletzte mussten nach dem Unglück am 22. Dezember 1939 zum Teil mit Schweißbre­nnern aus den Trümmern befreit werden.
FOTO: ARBEITSKRE­IS HEIMATGESC­HICHTE KLUFTERN E.V. (AHK) Die Gleise sind geräumt, aber die Katastroph­e ist noch fassbar: Entgleiste Lokomotive­n und Waggons und Bruchteile der Züge sind zu sehen. Tote und Verletzte mussten nach dem Unglück am 22. Dezember 1939 zum Teil mit Schweißbre­nnern aus den Trümmern befreit werden.
 ?? FOTO: ARBEITSKRE­IS HEIMATGESC­HICHTE KLUFTERN E.V. (AHK) ?? Die Trauerfeie­r nach dem Eisenbahnu­nglück wurde von den Nationalso­zialisten ideologisc­h überfracht­et. 99 Särge waren auf dem Markdorfer Marktplatz aufgebahrt – überragt von einer riesengroß­en germanisch­en Todesrune im Zentrum.
FOTO: ARBEITSKRE­IS HEIMATGESC­HICHTE KLUFTERN E.V. (AHK) Die Trauerfeie­r nach dem Eisenbahnu­nglück wurde von den Nationalso­zialisten ideologisc­h überfracht­et. 99 Särge waren auf dem Markdorfer Marktplatz aufgebahrt – überragt von einer riesengroß­en germanisch­en Todesrune im Zentrum.
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FOTO: BW Der Gedenkstei­n zur Erinnerung an die Toten des Eisenbahnu­nglücks in Lipbach, wenige Meter neben den Gleisen.

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