Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Überall war Aderlass
Staatsanwaltschaft München: Blutdoping bei Olympia, Welt- und Europameisterschaften
MÜNCHEN (SID/dpa) - Die mutmaßlichen Manipulationen des Dopingnetzwerkes um den Erfurter Sportmediziner Mark Schmidt fanden offenbar auch auf der größtmöglichen sportlichen Bühne statt. „Wir haben praktisch jegliche Art an hochkarätigen sportlichen Wettbewerben und Veranstaltungen ermittelt. Es geht von Olympischen Spielen über Weltund Europameisterschaften bis zu nationalen Meisterschaften“, sagte Kai Gräber, Chef-Ermittler der Schwerpunktstaatsanwaltschaft in München, am Freitag. Insbesondere im Radsport sei, so Gräber, „praktisch jegliches Großereignis“betroffen: „Tour de France, Giro d’Italia, Tour de Suisse, andere Radrundfahrten in verschiedenen Ländern.“
Am Donnerstag hatte die DopingSchwerpunktstaatsanwaltschaft bekannt gegeben, dass sie Anklage gegen Schmidt und vier Helfer erhoben hat. Allen wird unter anderem eine gewerbsmäßige und teilweise bandenmäßige Anwendung verbotener Dopingmethoden oder Beihilfe dazu vorgeworfen. Gegen den Sportmediziner besteht zudem der Verdacht der gefährlichen Körperverletzung. Insgesamt sollen – gegen Zahlung von 4000 bis 30 000 Euro pro Saison – 23 Sportler aus acht europäischen Ländern an Dopingpraktiken beteiligt gewesen sein.
„Ich habe noch keinen vergleichbaren Fall gesehen. Das ist insgesamt eine große Geschichte, die nicht mit anderen Fällen verglichen werden kann“, sagte Gräber weiter. Es sei bei den Manipulationen „planmäßig“vorgegangen worden. „Man hat sich vor der Saison mit dem jeweiligen Sportler zusammengesetzt, hat den Rennplan studiert, um dann zu sehen, wie man den ,Behandlungsplan‘ darauf abstimmt.“Öffentlich geworden war all das durch die Razzia bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld im Februar. Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch Aussagen des österreichischen Langläufers Johannes Dürr.
Kai Gräber sagte am Freitag, er habe in der Anklage etwa 145 strafrechtlich relevante Sachverhalte geschildert. Mark Schmidt droht eine mehrjährige Haftstrafe. Nach anfänglicher Kooperation, so Gräber, rede der Arzt nicht mehr mit den Ermittlern.