Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bitternis trotz Coup mit Bitter
Rückkehr des Torhüters wird überstrahlt durch Weinholds Ausfall für Handball-EM
HAMBURG (SID/dpa) - Christian Prokop wirkte angeschlagen. Selbst das vorgezogene Weihnachtsgeschenk für Johannes Bitter konnte die Stimmung des Handball-Bundestrainers nicht heben. Der nächste prominente Ausfall für die Europameisterschaft setzte Prokop arg zu, das spektakuläre Comeback des WM-Helden Bitter wurde durch die kurzfristige Absage von Kiels Steffen Weinhold zur Nebensache. „Das ist eine sehr bittere Nachricht für uns“, sagte Prokop nach seiner Kader-Nominierung am Freitag bedröppelt. „Hoffentlich ist das Ende der Fahnenstange erreicht, was die Verletzungsabsagen angeht.“
Die angestrebte Medaille hat der DHB-Coach aber trotz der massiven Personalsorgen weiter im Visier. „Ich finde, dass wir bewusst und konsequent an unseren Zielen festhalten sollten. Es wäre das Größte, das Halbfinale zu erreichen“, sagte Prokop: „Das ist durchaus möglich – und dazu sollte auch diese Mannschaft imstande sein.“
Eine Viertelstunde dauerte die Telefonkonferenz mit dem Bundestrainer, doch lediglich zwei Sätze galten der Personalie Bitter. „Seine kontinuierlich starken Leistungen in der Bundesliga haben den Ausschlag gegeben. Ich erhoffe mir von seiner Erfahrung, seiner positiven Aura und seinem Siegeswillen wichtige Impulse im Turnierverlauf“, sagte Prokop.
Der Torhüter des TVB Stuttgart, der überraschend den Vorzug gegenüber Silvio Heinevetter (Füchse Berlin) und Dario Quenstedt (THW Kiel) erhielt, freut sich riesig auf seine
Rückkehr in die Nationalmannschaft nach neun Jahren Turnierpause. „Als der Bundestrainer anrief, war ich erst mal sprachlos “, sagte Bitter, der nach seinem Rücktritt 2011 einzig im Jahr 2014 für die WM-Play-offs noch einmal eingesprungen war.
Im Rückraum wird es knapp Christian Prokops Torhüter-Coup wurde allerdings überschattet von der nächsten Hiobsbotschaft: Denn unmittelbar vor der Kaderreduzierung von 28 auf 17 Spieler sagte am
Freitagmorgen in Linkshänder Weinhold nach Fabian Wiede (Berlin; Schulteroperation), dem Balinger Spielmacher Martin Strobel (langsamer Formaufbau nach einem Kreuzbandriss) sowie dem Berliner Simon Ernst und Lemgos Tim Suton (beide Kreuzbandriss) die fünfte Stammkraft im Rückraum verletzungsbedingt ab.
Der jähe EM-Verzicht Weinholds wegen einer Entzündung im Fuß hat für Prokop einen bitteren Beigeschmack. Denn wie Wiede, der zwei Tage zuvor eine Operation für den
30. Dezember ankündigte, steht der Kieler in der Liga weiter auf dem Feld. Prokop, der in seinem Kader auf Rechtsaußen Patrick Groetzki ebenso verzichtete wie auf 2016-Europameister und Abwehrspezialist Finn Lemke, mochte das nicht überbewerten. Der Mannschaft breche „ganz starke individuelle Qualität weg“, sagte er, „aber wir wollen das als Team meistern und schnell Lösungen finden“.
Viel Zeit bleibt nicht. Bis zum
29. Dezember stehen noch drei LigaSpieltage auf dem Programm, ehe sich die Mannschaft am 2. Januar – und damit exakt eine Woche vor dem EM-Auftaktspiel gegen die Niederlande – zur unmittelbaren Turniervorbereitung trifft. Der Stellenwert der beiden letzten EM-Tests gegen Island (Mannheim, 4. Januar, 17.20 Uhr/ ZDF) und Österreich (Wien, 6. Januar, 14.40 Uhr/ARD) hat sich durch die neue Personalsituation noch einmal deutlich erhöht.
Christian Prokop hat das nicht wirklich gefreut.