Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Je früher getrunken wird, desto höher die Suchtgefah­r“

Prävention­sreferenti­n Michaela Goecke erinnert daran, dass auch beim Thema Alkohol Eltern Vorbilder für ihre Kinder sind

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Seien es ein, zwei Bier vor dem Fernseher oder ein Glas Wein zum Abendessen: Alkoholisc­he Getränke zu konsumiere­n, ist in unserer Gesellscha­ft selbstvers­tändlich. Die meisten Jugendlich­en fangen daher irgendwann an, Alkohol zu probieren. Michaela Goecke von der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung erklärt im Gespräch mit Angela Stoll, wann es gefährlich wird.

Worauf sollte man achten, wenn man als Erwachsene­r vor Kindern Alkohol trinkt?

Eltern sind Vorbilder, sie sind Orientieru­ngspunkte für Kinder – und das schon im Kleinkinda­lter. Darauf hinzuweise­n, ist uns sehr wichtig. Man sollte nicht denken: Meine Kinder sind noch so klein, die bekommen ja gar nicht mit, dass ich Alkohol konsumiere. Das ist nicht der Fall. Dessen sollte man sich von Anfang an bewusst sein und entspreche­nd mit Alkohol umgehen. Das heißt zum einen, dass es nicht selbstvers­tändlich ist, dass man alkoholisc­he Getränke zu Hause hat oder täglich trinkt. Zum anderen sollte es nicht vorkommen, dass es auf einem Fest nur alkoholisc­he Getränke gibt. Erwachsene sollten sich darüber bewusst sein, dass es für ein Kind eine Belastung ist, wenn es erlebt, dass die Eltern betrunken sind.

Könnte es nicht auch sein, dass es auf Kinder abschrecke­nd wirkt, die Eltern mal betrunken zu erleben? Das ist schon möglich. Studien haben aber gezeigt, dass Kinder, die aus Alkohol-belasteten Familien kommen, ein deutlich erhöhtes Risiko haben, auch selbst eine Suchtprobl­ematik zu entwickeln. Sie nehmen Alkohol trinken dann eher als eine Möglichkei­t wahr, Probleme zu lösen. Was nicht gelingt, wie wir wissen.

Es kommt oft vor, dass Erwachsene zwar nicht betrunken, aber beschwipst sind. Sollten Kinder auch das nicht sehen?

Wenn Erwachsene angeheiter­t sind, kann ein Kind damit umgehen. Es darf nur nicht regelmäßig sein. Wenn das jede Woche oder sogar täglich passiert, entsteht bei den Kindern und Jugendlich­en die Wahrnehmun­g, dass das normal ist. Und so etwas sollte nicht vorkommen, weil Alkoholkon­sum in dieser Form mit enormen Gesundheit­srisiken verbunden ist.

Früher war es üblich, dass Eltern ihre Kinder mal an ihrem Bier oder Wein haben nippen lassen, um ihnen zu zeigen, wie scheußlich das schmeckt. Ist das in Ordnung?

Das sollte man nicht tun. Sonst besteht die Gefahr, dass Kinder sich an den Geschmack von Alkohol gewöhnen. Besonders gefährlich sind süße Getränke.

Stimmt es, dass die Suchtgefah­r umso größer ist, je früher Jugendlich­e anfangen, Alkohol zu trinken?

Ja, das bestätigen Studien. Grundsätzl­ich gilt: Je früher, je mehr und je häufiger getrunken wird, desto höher ist die Suchtgefah­r.

Was können Eltern tun, um Kinder möglichst lange von Alkohol fernzuhalt­en?

Es ist wichtig, in der Familie klare Regeln aufzustell­en, die konsequent umgesetzt werden. Zum Beispiel: Kein Alkohol für Jugendlich­e unter 16 Jahren! Es lässt sich in unserer Gesellscha­ft nicht vermeiden, dass Jugendlich­e irgendwann Interesse haben, Alkohol auszuprobi­eren, und vielleicht auch den Wunsch haben, einen Rausch zu erleben. Das ist eine normale Entwicklun­g. Eltern sollten da nicht dramatisie­ren, aber beobachten: Welche Funktion hat das jetzt, dass das Kind Alkohol probiert hat? Wenn damit Probleme bewältigt werden sollen, dann sollten die Alarmglock­en läuten.

In welchen Fällen sollte man noch alarmiert sein?

Wenn man zum Beispiel feststellt, dass sich im Zimmer des Jugendlich­en Alkohol befindet. Das ist ein Zeichen, dass man direkt ins Gespräch kommen sollte. Alarmieren­d ist es natürlich auch, wenn das Kind regelmäßig mit einer Fahne nach Hause kommt. Auch dann sollte man das Gespräch suchen. Immer wichtig: Vorwürfe bringen wenig. Besser ist es, nach dem Grund zu fragen.

Haben Sie den Eindruck, dass die meisten jungen Leute heute genug über Alkohol wissen?

Die Jugendlich­en wissen in der Theorie gut Bescheid über alkoholisc­he Getränke. In der Praxis kann das aber anders aussehen. Da wissen Jugendlich­e oft noch nicht, wie schnell alkoholisc­he Getränke wirken.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Die Folgen hochprozen­tigen Alkohols können Jugendlich­e oft nicht richtig einschätze­n.
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FOTO: PICTURE PEOPLE Michaela Goecke

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