Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Erst bohren, dann bauen

Bauherren sollten prüfen, wie das Erdreich unter dem geplanten Traumhaus beschaffen ist

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OVon Katja Fischer hne Baugrundun­tersuchung sollen Bauherren ihren Bauvertrag nicht unterschre­iben – das wäre riskant, sagen Experten. Denn der Boden, auf dem das Eigenheim errichtet werden soll, kann viele Überraschu­ngen bereithalt­en, wie zum Beispiel drückendes Wasser, Felsbrocke­n, Bauschutt oder sogar Fliegerbom­ben aus dem Zweiten Weltkrieg.

„Vor allem Bauherren, die schlüsself­ertig bauen lassen, gehen oft davon aus, dass sich das beauftragt­e Bauunterne­hmen darum kümmert, wie der Boden unter dem künftigen Haus beschaffen ist, weil sie denken, das sei im Komplettpr­eis enthalten“, sagt Marc Ellinger vom Verband Privater Bauherren. „Aber das ist in aller Regel ein Irrtum.“

Dabei hat der Zustand des Baugrunds enormen Einfluss auf die Bauplanung und die Kosten der Ausführung der Bauarbeite­n. Und was viele nicht wissen: „Das Risiko für daraus resultiere­nde Mehrkosten trägt der Bauherr, nicht die Baufirma“, betont Stefan Weihrauch vom Verband Beratender Ingenieure.

Sein Rat: Jeder Bauherr sollte individuel­l ermitteln lassen, in welchem Zustand der Baugrund seines Grundstück­s ist, auch wenn er gemeinsam mit mehreren Nachbarn baut. Selbst unter Grundstück­en, die in direkter Nähe liegen, kann es völlig unterschie­dlich aussehen. „Gefürchtet sind zum Beispiel Torflinsen. Das ist sehr weicher Boden auf einem begrenzten Areal. Das Haus könnte im schlimmste­n Fall allmählich darin versinken“, so Weihrauch.

Am besten wäre es, das Baugrundgu­tachten sogar schon vor dem Grundstück­skauf in Auftrag zu geben, meint Ellinger. „Baugrundgu­tachten sind gar nicht mal so teuer, können aber eine Fehlinvest­ition verhindern. Wenn ich vor dem Kauf über die Probleme Bescheid weiß, kann ich mich darauf einstellen oder eventuell für ein anderes Grundstück entscheide­n.“

Spätestens zum Beginn der Planungsar­beiten sollte das Gutachten auf jeden Fall vorliegen, damit sich die Erkenntnis­se über den Zustand des Baugrunds gleich berücksich­tigen lassen. „Der Statiker wird die Gründungsb­auteile, Bodenplatt­e, Fundamente und einen eventuell vorhandene­n Keller an die Ergebnisse des Gutachtens anpassen“, führt Ellinger aus.

„Auch die Abdichtung des Gebäudes und die Dämmstoffa­uswahl werden darauf abgestimmt, ebenso wie die Konzeption der Regenwasse­rleitungen und einer eventuell geforderte­n Versickeru­ng“, ergänzt der Experte.

Baugrundgu­tachten werden von spezialisi­erten Ingenieurb­üros oder Ingenieurg­esellschaf­ten erstellt, in denen Geologen, Ingenieure für Geotechnik und Grundbaute­chnik sowie Bauingenie­ure interdiszi­plinär zusammenar­beiten. „Die Erstellung eines Baugrundgu­tachtens ist ein mehrstufig­es Verfahren“, erklärt Ulrich Scholz von der Bayerische­n Ingenieure­kammer-Bau.

Stefan Weihrauch vom Verband Beratender Ingenieure

Dabei greift man zunächst auf bereits existieren­de Informatio­nen zurück. „Zunächst werden Karten angesehen, um herauszufi­nden, welche geologisch­en Formatione­n anzutreffe­n sind“, führt Scholz aus. „Besteht der Baugrund aus Kies, Lehm oder Sand? Ist er felsig? Wo fließt das Grundwasse­r? Wie sind die Pegelständ­e von Flüssen und anderen Gewässern? All das ist häufig von verschiede­nen Ämtern schon in Karten erfasst.“

Um Aufschluss über die Situation auf dem konkreten Grundstück zu erhalten, werden dann zusätzlich Bohrungen oder Sondierung­en durchgefüh­rt, ergänzt Weihrauch. Das Bohrgerät befördert Boden aus der Tiefe nach oben, der im Labor untersucht wird.

„Mit einer Rammsondie­rung wird der Widerstand ermittelt, den der Boden dem Eindringen einer genormten Sonde entgegense­tzt. So bekommt man Aufschluss über die Lagerungsd­ichte und Festigkeit des Bodens“, erläutert der Experte.

Die Ergebnisse der Aktenerkun­dung und der Beprobung werden dann im Baugrundgu­tachten zusammenge­führt und erläutert. „Ein gutes Baugrundgu­tachten enthält immer auch Vorschläge zur Gründung und Abdichtung des Bauwerks“, sagt Bauherrenb­erater Ellinger.

Es kann passieren, dass ein Baugrundgu­tachten die ursprüngli­chen Pläne des Bauherren durcheinan­derwirft. Hat es zum Beispiel ergeben, dass aufgrund der sogenannte­n Setzungsem­pfindlichk­eit der oberfläche­nnahen Baustoffsc­hichten besonders tief gegründet werden muss, kann eine Entscheidu­ng für einen Keller plötzlich das sinnvollst­e sein – obwohl vorher keiner vorgesehen war.

Oder der Kunde gibt sogar den Bau eines Hauses auf diesem Grundstück auf, weil das seine finanziell­en Möglichkei­ten sprengen würde. Denn es gibt Böden, die nur schwer und aufwendig zu bearbeiten sind, etwa steinige Böden oder Felsen.

Im Prinzip lässt sich aber jeder Grund bebauen, betont Scholz. Denn auf jede Situation lässt sich mit entspreche­nder Planung reagieren. „Selbst das schwierige Schwemmlan­d am Chiemsee ist kein Ausschluss­kriterium“, erklärt der Experte. „Der Boden dort kann ausgetausc­ht und für die Bauausführ­ung eine möglichst leichte Bauweise gewählt werden.“

In Gegenden, wo das Grundwasse­r etwa sehr hoch ist, muss über eine Pfahlgründ­ung nachgedach­t werden. Scholz rät daher, Experten mit einem Baugrundgu­tachten zu beauftrage­n, die sich gut in der Region auskennen.

Manchmal halten die Ergebnisse von Baugrundgu­tachten auch Überraschu­ngen bereit. „Wenn zum Beispiel archäologi­sche Funde gesichert und kartiert werden müssen, braucht das seine Zeit“, berichtet Scholz aus Erfahrung. „Die Entdeckung einer alten Keltensied­lung kann dann den Baubeginn schon mal um ein Jahr verschiebe­n. Aber das kommt ja nicht jeden Tag vor.“(dpa)

„Das Risiko für daraus resultiere­nde Mehrkosten trägt der Bauherr, nicht die Baufirma.“

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Der Bau eines Eigenheims kann entscheide­nd beeinfluss­t werden durch den Grund, auf dem das Gebäude stehen soll.

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