Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Weiße Weihnacht: Experte sieht schwarz
Was die milden Temperaturen für Menschen, Tiere und Natur bedeuten.
FRIEDRICHSHAFEN - Das milde Wetter lockt nordische Zugvögel an den Bodensee, die Landwirtschaft könnte Probleme mit ungewollten Nagetieren bekommen, und die Obstbäume dürften wieder viel zu früh ausschlagen – wenn es so weitergeht. Und danach sieht es derzeit tatsächlich aus, sagt Roland Roth von der Wetterwarte Süd: „Es wird in den nächsten Tagen zwar wieder kühler, jedoch nicht so kalt, dass es für Schnee an Weihnachten oder einen ordentlichen Winter reicht.“
Die Wettergeister sind sich wohl noch nicht ganz einig, ob es an Weihnachten schneit – zumindest in höheren Lagen könnten ein paar Flocken kommen. Am Bodensee höchstwahrscheinlich nicht. Zum letzten Mal war Weihnachten vor neun Jahren weiß, berichtet Roland Roth. Pünktlich an Heiligabend 2010 hat es geschneit, und in jenem Jahr habe es auch den letzten richtigen Winter gegeben. Überraschend sei das aber nicht: „Am Bodensee standen die Chancen auf weiße Weihnachten schon immer eins zu fünf.“Dieses Jahr ist also keine Ausnahme.
Statt Frost gibt es in der Region Temperaturen im Plusbereich satt. Bis zu 15 Grad waren es vergangene Woche. Das lag am Föhnwetter, das bis Ende der Woche dauerte. Danach wird es nun kühler, schaut Roland Roth voraus. Auch vergangenes Jahr war es nicht anders. Das Wetter war mild, trüb, und es gab wenig Sonne. „Dass wir jetzt nicht einmal Nebel haben, liegt daran, dass der föhnige Wind die Wolken verpustet“, erläutert der Wetterfachmann.
Den Tieren gefällt das milde Wetter wohl. Denn wer in der Natur genauer hinschaut, stellt fest, dass sich andere Vogelarten am Bodensee niedergelassen haben, zum Beispiel die Bachstelze oder noch mehr Störche, weiß Gerhard Kersting, Leiter des Naturschutzzentrums in Eriskirch. Durch das milde Wetter kürzen sie ihren Weg in den Süden ab und nisten sich hier eine Weile ein. „Dadurch sparen sie Energie und gehen Gefahren wie den Wilderern in Afrika aus dem Weg. Zudem bleibe bei mildem Wetter der Bestand der
Wildschweine und Rehe gleich, der sich sonst immer dezimiere. Für sie sei es natürlich jetzt viel einfacher, etwas zu fressen zu finden, wenn sie sich nicht durch einen halben Meter Schnee durchwühlen müssen. Dazu kommt dem Biologen zufolge, dass sich der Wald schneller verdichtet, da die Bäume früher beginnen, Saft zu bilden und wieder Blätter zu treiben.
Das kann wiederum ein Nachteil für die Landwirte sein, die sich nicht in Sicherheit wiegen können. Die milden Temperaturen im Dezember und die frühe Saftbildung schließen ja nicht aus, dass es doch noch rapide kalt und frostig wird. „Dann zerreißt es die Rinde der Obstbäume und sie gehen kaputt“, erklärt Dieter Mainberger, Obmann der Kreisbauern. Noch geht er aber nicht davon aus, dass so etwas dieses Jahr passiert.
Den Mäusen und Insekten wiederum gefällt das milde Wetter ein bisschen zu sehr, was wiederum der Landwirtschaft schaden könnte, wenn sich Schädlinge breitmachen, sagt Dieter Mainberger. Die Probleme könnten also noch kommen. Sicher scheint nur eines momentan zu sein: Es gibt wohl keinen Schnee an Weihnachten.