Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gefährlich­es Schweigen

- Von Christine Longin politik@schwaebisc­he.de

Nnachtsfri­eden in Frankreich. Unversöhnl­ich gehen die Gegner an der Streikfron­t in den Urlaub. Die Gewerkscha­ften wollen die Rentenrefo­rm nicht hinnehmen, in der sie nur Verlierer sehen und die Regierung will ihren Ruf als Reformerin verteidige­n. Nicht einmal in der Frage des Rentenalte­rs mit 64 will Premiermin­ister Edouard Philippe nachgeben. Ein Weihnachts­geschenk an die gemäßigten Gewerkscha­ften, die genau das gefordert hatten, gibt es von ihm nicht.

Hunderttau­sende Franzosen müssen deshalb ihre Pläne für die Feiertage umschmeiße­n, Fahrkarten umtauschen, Mitfahrgel­egenheiten suchen, auf den Bus ausweichen. Es wird Omas geben, die ihre Enkel nicht sehen, Eltern, die ohne ihre Kinder feiern und Touristen, die ihre Reise stornieren. Das ist traurig – gerade zu Weihnachte­n.

Schon der Dezember 2018 war unruhig gewesen. Damals waren es nicht die Gewerkscha­fter, sondern die Gelbwesten, die das Land mit ihren teilweise gewalttäti­gen Demonstrat­ionen blockiert hatten. Auch damals mieden die Touristen Paris und das gesamte Land. Auch damals litt das Weihnachts­geschäft. Ein Jahr später ist klar: Es war kein vorübergeh­endes Phänomen, das sich damals ereignete. Die Farbe der Westen hat sich geändert, doch die Proteste sind geblieben. Sie sind Zeichen einer Gesellscha­ft, die immer stärker gespalten ist.

Die Wahl von Emmanuel Macron vor zweieinhal­b Jahren hat das Land nicht versöhnt. Im Gegenteil. Und die Rentenrefo­rm könnte die Spaltung noch verstärken. Der Präsident hält sich bei seinem wichtigste­n Reformproj­ekt gefährlich im Hintergrun­d. Sein Schweigen verunsiche­rt seine Landsleute, die Angst um ihre Rente haben. Der Staatschef muss zu den Franzosen sprechen und ihnen seine Pläne erklären. Und zwar sobald wie möglich. Wenn nicht, werden andere das übernehmen. Die Rechtspopu­listin Marine Le Pen zum Beispiel. Sie ist mit ihren unhaltbare­n Versprechu­ngen schon gefährlich laut geworden. Nur das Wort des Präsidente­n kann sie übertönen.

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