Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zollern hat genug von der Tarifbindung
Sigmaringer Unternehmen verlässt Arbeitgeberverband – IG Metall kündigt Proteste an
Von Michael Hescheler
GSIGMARINGEN - Die Firma Zollern, einer der größten Arbeitgeber im Kreis Sigmaringen, tritt aus dem Arbeitgeberverband aus. Der Hersteller von Stahlprofilen, Guss- und Schmiedeteilen sowie Getrieben begründet diese Entscheidung mit steigenden Kosten auf der einen und Preisdruck im Wettbewerb auf der anderen Seite. Die deutlichen Lohnsteigerungen der vergangenen Jahre seien für das Unternehmen mit weltweit 3000 Mitarbeitern zu einer Belastung geworden. „Wir können diese Beträge nicht mehr wegrationalisieren“, sagt Geschäftsführer Klaus F. Erkes in einem Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Das Ende der Tarifbindung verschaffe dem Unternehmen bei den im dreistelligen Millionenbereich liegenden Personalkosten etwas Luft, da Lohnsteigerungen für die Zollern-Belegschaft nicht mehr automatisch gelten. Das Unternehmen habe sich bewusst für den Ausstieg entschieden. „Die Entscheidung, ob wir Lohnerhöhungen mitgehen liegt jetzt in unserer Hand.“
Schon das ganze Jahr über hat Zollern mit Sitz in Laucherthal bei Sigmaringen mit der stagnierenden Wirtschaftslage zu kämpfen. Bis Ende November sanken die Auftragseingänge nach Unternehmensangaben
kumuliert im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent. Der Umsatzrückgang liege zwar noch im einstelligen Prozentbereich, doch Erkes rechnet damit, dass beim Umsatz die Talsohle noch nicht erreicht ist.
Im internationalen Wettbewerb seien die Preise bei Standardprodukten nicht mehr wettbewerbsfähig. „Bei den Turboladern verschwinden Komponentenhersteller aus Europa zusehends vom Markt. Die Teile wie zum Beispiel Turboladerräder werden verstärkt in Indien gebaut“, sagt Erkes.
Die Folge ist eine Unterauslastung, auf die das Unternehmen mit einem Abschmelzen der Gleitzeitkonten, der Freistellung von Leiharbeitern und der Entlassung von 22 Mitarbeitern im Werk Herbertingen (Kreis Sigmaringen) reagierte. Im nächsten Schritt wird nach der Weihnachtspause flächendeckend Kurzarbeit eingeführt.
Nach Angaben von Personalleiter Roland Straub stehe die Produktion monatlich durchschnittlich drei bis vier Tage still. Je nach Auslastung fällt die Kurzarbeit in den einzelnen Abteilungen unterschiedlich aus. Die Kurzarbeit koste das Unternehmen Geld: „Drei Tage Kurzarbeit bringen nur zwei Tage Kostenentlastung.“
„Keiner verliert etwas“
Um zukünftiges Wachstum zu generieren, setzt Zollern auf die Produktion von Teilen für die Luftfahrt, für industrielle Gasturbinen und für elektrische Planetengetriebe. Diese Entwicklungen würden das Unternehmen viel Geld kosten, weshalb das für 2020 geplante positive Ergebnis nicht weiter sinken dürfe. Im Geschäftsjahr 2017/18 lag der Umsatz von Zollern bei 511 Millionen Euro, das Unternehmen gehört zu gleichen Teilen dem Fürstenhaus Hohenzollern und dem Blaubeurer Unternehmer Ludwig Merckle.
„Für uns ist der Austritt aus dem Arbeitgeberverband eine sozialverträgliche Entscheidung, weil wir davon ausgehen, dass wir mit unseren
Maßnahmen die Stammbelegschaft halten können“, sagt Erkes. Der Geschäftsführer verweist darauf, dass die Löhne eingefroren werden. „Keiner verliert etwas“– nur den Automatismus von Lohnerhöhungen. Zudem bedeute die sogenannte Nachbindung, dass für neue Mitarbeiter auch künftig der gültige Tarifvertrag Anwendung finde.
Beim Blick zurück hält ZollernChef Erkes den jüngsten Tarifabschluss mit zusätzlichen acht freien Tagen für Schichtarbeiter, Eltern oder Pflegende für unangemessen. „Die Belegschaft weiß, dass dies übertrieben war.“
Die Gewerkschaft IG Metall, der bei Zollern mehr als die Hälfte der Beschäftigten angehören, kündigte nach Bekanntgabe des Austritts massiven Widerstand an. Die Belegschaft werde die Tarifbindung nicht kampflos aufgeben, sagte Thomas Flamm von der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben. Entweder es folge die Rücknahme des Austritts oder der Arbeitgeber müsse mit massivem Widerstand rechnen, sagt Gerald Wenzel, Betriebsratsvorsitzender bei Zollern in Aulendorf. „Ab dem neuen Jahr wird es bei Zollern eine Unruhe geben“, kündigt Michael Föst, Geschäftsführer der IG Metall Albstadt, an. Mit dem Jahreswechsel ende bei Zollern die Friedenspflicht.
„Die Entscheidung, ob wir Lohnerhöhungen mitgehen liegt jetzt in unserer Hand.“
Klaus F. Erkes, Geschäftsführer Zollern