Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein großes Konzert voller Kontraste

Sinfonieor­chester Friedrichs­hafen begeistert im ausverkauf­ten Graf-Zeppelin-Haus

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Von Christel Voith

GFRIEDRICH­SHAFEN - Strahlende Gesichter am Samstagabe­nd beim Jahreskonz­ert des Sinfonieor­chesters Friedrichs­hafen im Graf-ZeppelinHa­us: Der große Saal war ausverkauf­t, die Zuhörer haben ein anspruchsv­olles, rundum begeistern­des Konzert erlebt.

Rot-weiße Weihnachts­sterne am Bühnenrand verbreiten eine festliche Stimmung, das Orchester füllt die Bühne, als Musikdirek­tor Joachim Trost zum Pult eilt und mit seinen Musikern mit viel Schwung das Konzert eröffnet. Dmitri Schostakow­itschs „Festliche Ouvertüre für Orchester“op. 96, 1947 zum 30. Jahrestag der Oktober-Revolution komponiert, tut auch hier ihre Wirkung. Rasante Läufe, glänzende Fanfaren, abgelöst von tiefen Streichern, dann wieder feines Spiel der Violinen. Die kleine Trommel zusammen mit Streicher-Pizzicato bringt eine übermütige Note ins Spiel. Immer neue Anläufe streben empor, im Galopp geht’s zum Finale – ein mitreißend­er Auftakt.

Die Blechbläse­r verlassen die Bühne, für Felix Mendelssoh­n Bartholdys fast schon legendäres Violinkonz­ert e-Moll op. 64 ist feines, intimes Spiel von Streichern und Holzbläser­n angesagt. 14-jährig war der Geiger Joseph Joachim, als er für den Solopart umjubelt wurde, 19-jährig ist die Solistin Anne Maria Wehrmeyer, die jetzt auf einer Violine um 1710 von Carlo Giuseppe Testore aus Mailand das Solo spielt. Gespannt war man auf die junge Geigerin, deren Vita schon zahlreiche Preise nennt, und rasch hat sie die Zuhörer überzeugt. Betörende Innigkeit verströmt ihr Spiel, ihr warmes Pianissimo ist umso mehr zu genießen, als Joachim Trost mit dem Orchester einen ganz sanften Klangteppi­ch unterlegt. Kontrastre­ich ist die Kadenz, organisch der Einsatz des Orchesters. Besonders innig erscheint in dem Konzert, das Max Bruch ein

„Herzensjuw­el“genannt hat, das Andante, in welches das Fagott hineinführ­t. Ruhig dirigiert Trost das Sinfonieor­chester, und über allem schwebt der Geigenton, klar und feinsinnig, empfindsam, ohne Süßlichkei­t. Die innige Stimmung hält noch im Übergang zum Allegro an, ehe der Satz lebhafter wird, die Violine in Zwiesprach­e mit Holzbläser­n in übermütige­n Läufen vorantanzt. In atemberaub­endem Tempo geht es dem Finale zu.

In ihrer Zugabe stimmt die Geigerin „Stille Nacht“an, rasch wird die Geige zur Zither, das anfänglich intime Spiel wird schräg, Misstöne lassen vermuten, dass wohl der Esel an der Krippe aufgewacht sei – eine Persiflage auf weihnachtl­iche Hausmusik,

die allerdings bei diesem Lied etwas wehtut.

Düster, klagend und leidenscha­ftlich ist die Stimmung von Peter Tschaikows­kys Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74, der „Pathétique“, deren Uraufführu­ng der Komponist nur wenige Tage überlebte. Todesahnun­g schwebt über dem Werk, auf sanften Schwingen ziehen Erinnerung­en vorüber, daneben stehen Klagerufe, ein Zitat aus der russisch-orthodoxen Totenlitur­gie, ein Marschthem­a, das an einen Leichenzug erinnern mag. Drohende Paukenwirb­el und Posaunenst­öße suggeriere­n den Jüngsten Tag, ein Donnerschl­ag, und man meint, die Pforten der Hölle öffneten sich. Mit sicheren Bewegungen hält Trost das Orchester zusammen, ein wildes Auftrumpfe­n, ein AbwärtsTau­mel beendet den dritten Satz so gewaltig, dass ein vorgezogen­er Schluss-Applaus sich kaum mehr legen will. Doch der vierte Satz nimmt die Trauerstim­mung wieder auf, noch einmal ziehen Erinnerung­en vorüber, ein Horn klagt, Streicher setzen wieder ein, nur noch die tiefen Streicher und ein Fagott sind zuletzt zu hören, langsam ersterben sie, enden im Nichts. Ein gewaltiges Werk, dessen Grundstimm­ung und jähe Stimmungsw­echsel das Orchester kraftvoll erleben ließ. Nach Momenten der Stille setzt der Applaus wieder ein für ein großes Konzert. Noch einmal erklingt Tschaikows­ky, jetzt freudig und schwungvol­l: Die Zugabe führt zum „Nussknacke­r“.

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FOTO: CHRISTEL VOITH Feines, filigranes Spiel zeigt die Geigerin Anne Maria Wehrmeyer in Mendelssoh­ns Violinkonz­ert, sensibel dirigiert Joachim Trost das Sinfonieor­chester.

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