Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Beständig unbeständig
Friedrichshafener Volleyballer überzeugen unregelmäßig – was Trainer Warm mit in die Weihnachtspause nimmt
FRIEDRICHSHAFEN - Spätestens nach 48 Minuten war alles klar. Zwar hatten die Volleyballer des VfB Friedrichshafen noch einen ganzen Satz zu spielen, doch diese ersten beiden Sätzen gegen den Ligakonkurrenten aus Düren machten deutlich: Hier ist für den VfB Friedrichshafen nichts zu holen. 0:3 (20:25, 12:25, 22:25) lautete der Endstand im letzten Spiel des Jahres. Zwar sind die Volleyballer grundsätzlich nicht so schwach, wie es das Ergebnis vermuten lässt, trotzdem ist die Niederlage symptomatisch. Immer wieder zeigt der VfB, wie viel Potenzial er hat, dann aber bringen die Volleyballer ihr Können plötzlich nicht mehr aufs Parkett. Woran liegt das? Eine Bestandsaufnahme.
Die Situation: G
Der Supercup ist in Berlin, auch im Kampf um den Pokal sind die Friedrichshafener raus. Nach zwei Niederlagen in drei Champions-LeagueSpielen wird es auch in der Königsklasse schwer, über die Gruppenphase hinauszukommen. Doch in der Bundesliga sieht es trotz der Niederlage in Düren – zumindest auf dem Papier – gar nicht so schlecht aus. Mit insgesamt acht Siegen aus elf Spielen haben die Friedrichshafener 25 Punkte und stehen damit hinter Berlin immerhin auf dem zweiten Tabellenplatz. Für ein Team, das im Sommer fast vollständig neu zusammengestellt wurde, ist das mehr als zu erwarten war, findet auch VfB-Trainer Michael Warm. „Hätte mir im Sommer jemand gesagt, dass wir an Weihnachten auf dem zweiten Platz stehen, hätte ich das sofort genommen“, sagt er.
Die Lichtblicke: G
Ausgerechnet die zwei jüngsten Spieler des Teams zählen zu den größten Überraschungen der Hinrunde. Der 22-jährige Zuspieler Joe Worsley überzeugte zuletzt in der Schaltzentrale des VfB-Spiels. Auch der nur einen Monat jüngere Außenangreifer Rares Balean machte seinen Job gut. Warm bezeichnet die beiden als
„Overperformer“, also als Spieler, die Leistungen oberhalb ihres vermeintlichen Potenzials erreichen. Gleichzeitig ahnt er, dass das nicht unbedingt so bleiben muss. Im Spiel gegen Düren kam Worsley bereits nicht mehr an die Leistungen der vorherigen Spiele heran – für seinen Trainer keine Überraschung. „Das war ein natürlicher Rückschlag eines jungen Zuspielers“, sagt Warm, der vom jungen, aus Hawaii gekommenen Amerikaner überzeugt ist. „Er ist während des Spiels immer wieder vorangegangen und hat gezeigt, dass er bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.“
Die Enttäuschungen: G
Während Worsley und Balean zuletzt fast immer in der Startaufstellung standen, kamen Jakub Janouch und Tomas Krisko auf den gleichen Positionen immer seltener zum Zug. „Des einen Freud ist des anderen Leid“, sagt Warm dazu. „Tomas hat vor allem im Angriff noch nicht so ganz seinen Weg gefunden und Kuba hat Schwierigkeiten das Angriffsspiel zu koordinieren.“Dazu kommt: Durch den verletzungsbedingten Ausfall von Jakob Günthör fehlt dem VfBTrainer ein Mittelblocker. Die beiden verbliebenen Mittelblockern Nehemiah Mote und Brendan Schmidt hatten deshalb seit Wochen keine Pause. „Die sind ziemlich durch“, gibt Warm zu, der sich nicht nur deshalb über die Weihnachtspause freut.
Die Stimmung: G
Die Zuschauerzahlen sinken, auch die Sponsoren werden weniger. Zuletzt suchte VfB-Präsident Wunibald Wösle verzweifelt neue Geldgeber, um seinen Volleyballern einen neuen Spieler zu ermöglichen. Gleichzeitig scheint beim großen Konkurrenten in Berlin einfach alles zu funktionieren. Dort kommen die Zuschauer in Massen. Fast 6000 wollten das Spiel der Berliner gegen Frankfurt am Sonntagnachmittag sehen. Und auch das Kleingeld für Starspieler wie Sergej Grankin ist in der Hauptstadt da. Doch auch in Friedrichshafen scheint sich was zu tun. „Es ist Licht am Horizont“, sagt Warm. „Es stabilisieren sich Prozesse im Verein.“ So geht’s jetzt weiter: G
„Wir merken, dass wir Schritte nach vorne machen, aber wir müssen noch an der Stabilität arbeiten“, sagt der VfB-Trainer. Und ergänzt: „Vor allem mit der Niederlage in Düren ist uns noch mal gezeigt worden, dass nichts von alleine passiert. Spiele wie dieses zeigen uns, dass wir uns auf nichts ausruhen dürfen“, sagt Warm. Erst einmal ist aber bis zum 31. Dezember trainingsfrei. „Wir alle brauchen eine Pause“, sagt Warm. „Die meisten von uns sind seit Mitte Juli permanent unterwegs.“Danach wird drei Wochen lang ausschließlich trainiert. Das nächste Pflichtspiel steht wegen des Olympia-Qualifikationsturniers erst am 18. Januar auf dem Plan.